Ablehnung erntet Ablehnung
Wiener Staatsoper zeigt erfreulichen Russland-Import: „Eugen Onegin“.
WIEN. In den fünf Öffnungen der Fassade der Wiener Staatsoper zur Schwind-Loggia sind LED-Leuchtröhren installiert. Mit wechselnden fünf Schriftzeichen sendet das Haus Botschaften auf die Ringstraße. Zur Saisoneröffnung war „Offen“zu lesen – als Frohbotschaft nach dem kulturellen Lockdown. Am Sonntag wechselten drei Wörter einander ab: „Eugen/liebt/Tanja“. Tatjana ist zu lang, Onegin auch, aber das Rätsel ist leicht zu lösen für Opernfreunde. Tschaikowskys „Eugen Onegin“wurde bei der Premiere am Sonntag mehr als herzlich willkommen geheißen, die IndoorObergrenze ergibt immer noch eine beachtliche Applauskulisse.
Hoffentlich bleibt es bei dieser verschmerzbaren Einschränkung. Andernorts wird es wieder finster, am Sonntag machten Länder wie Italien und Belgien ihre Musentempel dicht. In der Wiener Staatsoper wurde nachgeschärft bis hin zur Ganzabendmaske. Man kann sich sicher fühlen.
Dass der neue Staatsoperndirektor Bogdan Roščić eine Inszenierung aus dem Jahr 2009 gegen eine ältere austauschte, kann man ihm nicht übelnehmen. Falk Richters „Onegin“war nie beliebt, Regisseur Dmitri Tcherniakov hingegen konnte sich in uneingeschränkter Zustimmung verbeugen. Sein „Eugen Onegin“entstand 2006 am Moskauer Bolschoi. Passend zu seiner detailverliebten, präzisen Personenführung entwirft Tcherniakov auch selbst atmosphärisch dichte Räume. Im Falle des „Onegin“wechselt er vom bescheidenen ProvinzLandgut zum prunkvollen Moskauer Mahagoni-Salon, Gleb Filshtinsky veredelt das Ambiente mit magischem Licht. Verbindendes Element ist eine raumfüllende Festtafel. Tcherniakov rückt die lyrischen Szenen von Tschaikowsky nahe an die Vorlage von Puschkin mit einer sinnentleerten Gesellschaft.
Ins rustikale Fest auf dem Landgut, wo Larina mit ihren Töchtern Olga und Tatjana lebt, stolziert Eugen Onegin, mitgebracht von seinem Freund Lenski. Die schüchterne Tatjana verliebt sich prompt und gesteht dies in einem Brief an Onegin, der mit einer eiskalten Gardinenpredigt reagiert. Nach einem Zerwürfnis wegen Olga will sich Lenski mit Onegin duellieren, bei Tcherniakov ist das ein Gerangel um ein Gewehr, aus dem sich eher unabsichtlich der tödliche Schuss löst. Drei Jahre später schwindelt sich Onegin ins Festgetriebe beim Fürsten Gremin, dessen Gattin Tatjana mittlerweile ist. Nun stößt sein Liebesgeständnis auf Ablehnung, das Ende bleibt offen.
Die Besetzung ist, vom Slowakischen Philharmonischen Chor angefangen, großartig. Kaum zu glauben, Nicole Car ist als Tatjana eingesprungen, mit grandiosem Sopran zeichnet sie die Wandlung vom verklemmten Landei – Höhepunkt ist ihre überspannte Briefszene – bis hin zur noblen Fürstin, die trotz anhaltender Liebe Onegin abweist. Andrè Schuen ist ein glänzender Eugen, der sich über Gefühle hinwegsetzt und an sich scheitert. Bogdan Volkov liefert große Momente als Lenski bis hin zur melancholischen Abschiedsarie vor dem Duell. Dimitry Ivashchenko (Gremin), Helene Schneiderman (Larina), Anna Goryachova (Olga) oder Larissa Diadkova (Filipjewna) sind tadellose Rollenbilder. Dirigent Tomáš Hanus entfacht mit dem Staatsopernorchester alle Leidenschaften, die diese opulente Musik anbietet.