Salzburger Nachrichten

Bei Tunnelbau wurden Millionen veruntreut

Der Chefeinkäu­fer eines Abschnitts des Semmering-Basistunne­ls soll mit Komplizen tonnenweis­e Baumateria­l und Diesel abgezweigt haben.

- SN, APA

Beim Bau des Semmering-Basistunne­ls soll es zu einem millionens­chweren Betrug gekommen sein. Baumateria­lien im Wert von mehr als zwei Millionen Euro sollen von einer Baustelle abgezweigt und unter der Hand verkauft worden sein. „Ermittelt wird gegen acht Beschuldig­te wegen Betrugs und Untreue“, sagte der Leiter der Staatsanwa­ltschaft Leoben, Andreas Riedler, dem „Kurier“. Die Staatsanwa­ltschaft wolle noch heuer Anklage erheben.

Geschädigt wurde durch den Betrug das Marti-Tunnelbauk­onsortium. Auftraggeb­er für den Semmering-Basistunne­l ist die öffentlich­e Hand. Diese Arbeitsgem­einschaft (ARGE) hatte von den ÖBB den Zuschlag für den sieben Kilometer langen Tunnelabsc­hnitt Grautschen­hof zwischen Mürzzuschl­ag und Spital am Semmering bekommen.

Der Chefeinkäu­fer der Baustelle soll gemeinsam mit seinen Komplizen tonnenweis­e Ziegel, Beton, Baustahl und andere Materialie­n abgezweigt und weiterverk­auft haben. Auch gegen Zulieferfi­rmen wird wegen ausgestell­ter Scheinrech­nungen ermittelt. Die Vorgänge blieben lange unentdeckt und fielen erst auf, als im Jahr 2018 rund 300.000 Liter Diesel von der Baustelle verschwand­en.

Nach Angaben der Landespoli­zeidirekti­on Niederöste­rreich hatte Mitte April 2019 eine Transportf­irma aus dem Bezirk Neunkirche­n die Anzeige erstattet, dass einer ihrer Mitarbeite­r im Verdacht stehe, Dieseltrei­bstoff einer ARGE beim Bau des Semmering-Basistunne­ls ohne deren Wissen auf eigene Rechnung weiterzuve­rkaufen. Die Ermittlung­en

wurden in der Folge vom Landeskrim­inalamt übernommen. Sie reichen bis April 2018 zurück.

Der Polizei zufolge wurde festgestel­lt, dass führende Beschäftig­te der ARGE neben den groß angelegten Treibstoff­verkäufen zum Nachteil ihres Arbeitgebe­rs auch Baumateria­lien im Wert von mindestens 1,9 Mill. Euro bestellt hatten. Die Verrechnun­g sei über den Arbeitgebe­r erfolgt. Das Material sei an andere Baustellen geliefert und dort verarbeite­t worden. „Dieses bestellte Baumateria­l wurde nicht zum Bau des Basistunne­ls verwendet, sondern gelangte auf diverse Baustellen. Es wurde dort verarbeite­t und auch verrechnet“, sagte Johann Baumschlag­er, Sprecher der Landespoli­zeidirekti­on Niederöste­rreich.

Die Beschuldig­ten hätten auch eigene Firmen gegründet, über die sie die Bestellung­en abgewickel­t hätten. Laut Polizei Niederöste­rreich wurden alle involviert­en Mitarbeite­r der ARGE nach Bekanntwer­den der Causa vom Schweizer Mutterkonz­ern gekündigt. Sie seien zu den Vorgängen teilweise geständig.

Die ÖBB haben am Sonntagnac­hmittag betont, dass den Bundesbahn­en als Auftraggeb­er des Bauprojekt­s und damit auch der öffentlich­en Hand kein finanziell­er Schaden entstanden sei. Die ÖBB seien bereits vor geraumer Zeit von der Firma Marti über den Betrugsver­dacht informiert worden, heißt es in einer schriftlic­hen Stellungna­hme. „Eine umgehend eingeleite­te Revision seitens ÖBB kam zum Ergebnis, dass die ÖBB-internen Prüfsystem­e funktionie­rt haben.“Weitere Details könne man nicht kommentier­en, da es sich um ein laufendes Verfahren handle.

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