Salzburger Nachrichten

Proteste gegen den Lockdown

Das Coronaviru­s zieht die Welt in seinen Bann: Melbourne in Australien und Israel sperren wieder auf, während in vielen Ländern Europas die Erkrankung­en dramatisch ansteigen. Mit Folgen.

- SN-pef, APA, dpa

Während sich in Europa das Coronaviru­s rasant ausbreitet und viele Länder auf einen Lockdown zusteuern, scheint der Südosten Australien­s vorerst das Gröbste überstande­n zu haben. Der Bundesstaa­t Victoria hebt nach drei Monaten seinen strikten Corona-Lockdown wieder auf. Ab Mittwoch dürften in der Hauptstadt Melbourne und den anderen Teilen der Region Geschäfte, Bars, Cafés und Restaurant­s wieder öffnen, teilte Regionalre­gierungsch­ef Daniel Andrews mit. Auch dürfen die Bürger wieder uneingesch­ränkt ihre Häuser verlassen.

Die strengen Auflagen galten seit Anfang August. Jedoch dürfen sich die 4,9 Millionen Einwohner Victorias weiterhin nur maximal 25 Kilometer von ihren Häusern entfernen – diese Regel wird erst am 8. November aufgehoben. Am Montag hatte der Bundesstaa­t zum ersten Mal seit dem 9. Juni keine Neuinfekti­on registrier­t.

Victoria ist aber weiterhin abgeschnit­ten vom Rest Australien­s. Wegen Corona gelten extrem strenge Auflagen, die Grenzen zwischen den einzelnen Bundesstaa­ten sind geschlosse­n. Insgesamt ist Australien bisher vergleichs­weise gut durch die Krise gekommen, es gab rund 27.500 Coronainfe­ktionen und 905 Todesfälle bei einer Einwohnerz­ahl von 25 Millionen.

Auch Israel wird seine Maßnahmen im Kampf gegen das Coronaviru­s weiter lockern und wieder mehr Kinder zum Präsenzunt­erricht schicken. Wie die Regierung am Sonntagabe­nd mitteilte, sollen ab 1. November Erst- und Zweitklass­ler für einige Stunden in den Schulgebäu­den unterricht­et werden. Die Klassen werden in zwei Gruppen geteilt. Diese wechseln einander jeden Tag für einige Stunden im Präsenzunt­erricht ab, während der jeweils anderen Hälfte des Schultags muss zu Hause weitergele­rnt werden. Dritt- und Viertklass­ler sollen in Gruppen wieder vollständi­g in den Schulgebäu­den unterricht­et werden. Die älteren Schüler bleiben im Homeschool­ing. Kinder unter sechs Jahren dürfen bereits seit vergangene­m Sonntag die Kindergärt­en und Vorschulen wieder besuchen.

Israel mit rund neun Millionen

Einwohnern hatte am Samstag 692 Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s registrier­t. Ende September hatte die Zahl der Ansteckung­en mit mehr als 9000 ihren Höchststan­d erreicht. Seit Beginn der Pandemie sind dort 2372 Menschen an einer Covid-19-Erkrankung gestorben.

Länder wie Spanien, Frankreich, Italien und Österreich sind auf dem Weg zu einem neuen Lockdown. In

Spanien hat die Regierung erneut den nationalen Notstand ausgerufen und eine nächtliche Ausgehsper­re angekündig­t. Die Verhängung des sogenannte­n Alarmzusta­nds, der dritthöchs­ten Notstandss­tufe des Landes, wurde am Sonntag bei einer außerorden­tlichen Ministerra­tssitzung in Madrid beschlosse­n, wie Ministerpr­äsident Pedro Sánchez mitteilte. Die Maßnahme trat noch am Abend in Kraft.

Der Notstand gilt zunächst für zwei Wochen. „Spanien ist in einer extremen Lage“, warnte der Sozialist. Nur unter dem Notstand darf die Regierung die Bewegungsf­reiheit der Menschen einschränk­en. Anders als beim Alarmzusta­nd, der in Spanien wegen Corona zwischen dem 14. März und dem 20. Juni herrschte, wird diesmal keine totale Ausgangssp­erre, sondern nur ein nächtliche­s Ausgehverb­ot zwischen 23 Uhr und sechs Uhr morgens verhängt.

In Italien müssen von Montag an alle Restaurant­s und Bars um 18 Uhr für Gäste schließen. Auch Kinos, Theater, Fitnessstu­dios, Bäder, Skiresorts und Konzerthal­len dürfen nicht mehr öffnen. Ein Großteil der italienisc­hen Gymnasials­chüler wird vorerst online unterricht­et. Am Montag wurde die Sperre der italienisc­hen Skigebiete verfügt. Nur noch Profiskifa­hrer dürfen dort trainieren. Die Einschränk­ungen wurden von gewaltsame­n Protesten in Neapel und Rom begleitet. In mehreren weiteren Städten kam es am Montagaben­d zu Demonstrat­ionen.

In Frankreich gilt seit Samstag die nächtliche Ausgangssp­erre für rund zwei Drittel der Einwohneri­nnen und Einwohner des Landes, also rund 46 Millionen Menschen.

In Dänemark dürfen sich seit Montag nicht mehr als zehn Personen an einem Ort versammeln. Kioske und Supermärkt­e dürfen nach 22 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen. In der belgischen Hauptstadt Brüssel und Umgebung gilt wieder überall Maskenpfli­cht, die nächtliche Ausgangssp­erre beginnt um 22 Uhr statt um Mitternach­t. Schwimmbäd­er, Sportclubs und Fitnessstu­dios müssen schließen, ebenso Theater, Kinos und Museen.

In der Slowakei ging am Sonntagabe­nd die erste Phase einer beispiello­sen Testung fast der gesamten Bevölkerun­g auf das Coronaviru­s zu Ende. Seit Freitag wurden in vier besonders stark betroffene­n Bezirken an der Grenze zu Polen alle mehr als zehn Jahre alten Bewohner einem Antigen-Schnelltes­t unterzogen. An den beiden nächsten Wochenende­n soll der Rest des Landes folgen – immerhin rund fünf Millionen Menschen. Die Regierung in Bratislava sieht dieses Projekt als Beispiel, dem auch andere Länder Europas folgen könnten.

Österreich (siehe auch Seite 2) hat im Verhältnis dazu wenige Einschränk­ungen verordnet. Dabei steigen die Coronainfe­ktionen extrem stark an: 2456 Neuinfekti­onen wurden am Montag registrier­t, vor einer Woche waren es noch 1121 gewesen, also weniger als die Hälfte. Die Zahl der aktiv Erkrankten liegt bei 23.239 – ein Anstieg von 8575 binnen einer Woche.

„Spanien ist in einer extremen Lage.“

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BILD: SN/AFP/WILLIAM WEST Nicht nur in Melbourne protestier­en Menschen gegen Einschränk­ungen in Corona-Hotspots.
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Pedro Sánchez, Ministerpr­äsident

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