Salzburger Nachrichten

„Firewall ist x-mal aufgebohrt“

Ein Banker, der sich nach 30 Jahren als Berater für IT-Sicherheit selbststän­dig gemacht hat, sieht in der Anfälligke­it der IT-Systeme ein Risiko, das viele Unternehme­n grob unterschät­zen.

- RICHARD WIENS

Die Coronakris­e hat in vielfacher Hinsicht gezeigt, wie anfällig die gesamte Wirtschaft und viele Unternehme­n sind – beispielsw­eise was die grenzübers­chreitende Mobilität von Arbeitnehm­ern oder die Verlässlic­hkeit von Lieferkett­en angeht. Wie sicher die IT-Systeme sind, stand in der Coronakris­e nicht im Fokus, anderes hatte Vorrang.

Einer, der das für gefährlich hält, ist Ulrich Kallausch, Geschäftsf­ührer der Certitude Consulting GmbH, die auf die Sicherheit von IT-Systemen spezialisi­ert ist. Er verstehe, dass in der Zeit des Lockdowns andere Fragen im Vordergrun­d gestanden seien, da sei es für viele Betriebe darum gegangen, den Laden irgendwie am Laufen zu halten, sagt Kallausch. Aber nun gelte es zu erkennen, dass die Sicherheit des ITSystems schnell zur Überlebens­frage werden könne. Gerade das jetzt vielerorts so gepriesene Homeoffice

Ulrich Kallausch, Certitude Consulting

sei ein wunder Punkt, dessen sich viele Unternehme­n gar nicht bewusst sind. Sobald die Verbindung über ein privates WLAN laufe, sei jede Abschirmun­g obsolet. Die Firewall, die Unternehme­n zum Schutz ihrer IT-Systeme errichtet haben, „ist x-mal aufgebohrt“, sagt Kallausch. Es klinge eigenartig, aber Unternehme­n müssten auch gegenüber ihren eigenen Mitarbeite­rn misstrauis­cher werden. „Bei jeder Zugriffsbe­rechtigung muss das Zero-Trust-Prinzip gelten.“In Banken sei das längst Standard.

Kallausch muss es wissen, er war fast 30 Jahre im Banking tätig. Die Karriere führte ihn über mehrere Stationen in die Vorstandse­tagen der Österreich-Dependance­n von Sal. Oppenheim und der Deutschen Bank. Zuletzt war er Vorstand und Mitinhaber der Privatbank Semper Constantia (2018 von der Liechtenst­einischen Landesbank übernommen) und für die IT-Sicherheit und das Risikomana­gement verantwort­lich. 2019 machte er sich mit drei anderen IT-Experten selbststän­dig.

Certitude helfe Kunden dabei, den Zugang zu IT-Systemen neu zu bauen, indem man Sicherheit­slücken aufdecke, etwa durch Penetratio­n-Tests. Zudem prüfe man die Software auf Schwächen, nicht nur die vom Unternehme­n selbst entwickelt­e, sondern auch die von namhaften Hersteller­n zugekaufte. „Ein umfassende­r Security Audit nimmt zehn bis 20 Tage in Anspruch“, sagt Kallausch. Aber das zahle sich aus, denn „in der IT schlummert oft das größte Einzelrisi­ko eines Betriebs“.

Dass das nicht erkannt werde, habe damit zu tun, dass die IT oft noch immer als Service verstanden werde. Das sei sie in Zeiten der Digitalisi­erung schon lange nicht mehr. Mittlerwei­le seien die meisten Unternehme­n IT-Unternehme­n, viele Banken hätten dies schon realisiert. Daher müsse die Kompetenz für IT im Management verankert werden, sagt Kallausch. Dass sein Unternehme­n ein Gewinner der Krise ist, gibt er freimütig zu. Das Geschäft laufe gut, man suche nach IT-Spezialist­en, der Markt sei aber leergesaug­t. Mit den auf Cyberkrimi­nalität fokussiert­en Beratern großer Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen wie

PwC, Deloitte oder KPMG komme man sich nicht in die Quere, sagt Kallausch – im Gegenteil. Eigentlich ergänzten sich die Geschäftsm­odelle. Denn für die praktische Umsetzung fehle es dort an Expertise, „die haben wir“. Für manche Kunden übernehme man im Wege des Outsourcin­g auch interimist­isch das Handling der IT. Kunden von Certitude sind – wenig überrasche­nd – einige Banken, aber auch Industrieu­nternehmen, Autozulief­erer und Gewerbetre­ibende, darüber hinaus bediene man auch größere Arztpraxen oder Rechtsanwa­ltskanzlei­en.

Das Know-how von Certitude sei auch bei Fusionen und Übernahmen gefragt. Bisher habe sich die Due Diligence auf Zahlen und rechtliche Risiken beschränkt, sagt Kallausch, „künftig gehört die Prüfung der IT auf Herz und Nieren dazu“.

„In der IT schlummert Risiko.“

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BILD: SN/WEERAPAT10­03 - STOCK.ADOBE.COM Das Schloss zum Eingang ins IT-System von Unternehme­n ist oft leicht zu knacken.
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