Die Sessel leer und alles wurscht?
Kultur wieder im Lockdown: Die Pongauer Kulturmacherin Elisabeth Schneider versteht „das alles nicht mehr“.
RADSTADT, SALZBURG. Elisabeth Schneider schrieb einen Brief. Darin steht, dass sie sich aufs Publikum freut beim Filmfestival Radstadt. Dort leitet sie seit 30 Jahren den Kulturkreis Das Zentrum, versorgt die Region mit Kunst und Kultur. Und auch wenn in dieser CovidZeit der organisatorische Aufwand anstrengend sei und Zeit und Geduld – auch vom Publikum – fordert, freut sie sich. „Sicher mit Kultur“ist das Motto. „Sorgfalt und Umsicht“machen Schneider sicher. Das war vergangene Woche.
Die Ironie des Briefs: Als er Ende vergangener Woche seine Adressaten erreichte, war alles umsonst. Das saß Schneider allein im leeren Kinosaal. Der Pongau ist rot, das veranlasste die Landesregierung, ein Veranstaltungsverbot für die Salzburger Bezirke Flachgau, Tennengau, Pinzgau und Pongau zu verordnen. Es gilt bis 15. November. In der nächsten Woche hätte das Filmfestival zum 19. Mal stattfinden sollen. Sieben Österreich-Premieren waren geplant. Elf weitere Filme wären im Bundesland Salzburg zum ersten Mal gezeigt worden. Viele Filmschaffende wären trotz der Einschränkungen gekommen. „Alle wollten trotz aller Widrigkeiten zeigen, dass wir zusammenhalten.“
Jetzt aber: Vollbremsung. Über Nacht Kultur-Lockdown. „Es fühlt sich an, wie wenn man mit dem Kopf an die Wand prallt“, sagt Schneider. Seit Freitag, als das Veranstaltungsverbot ausgesprochen wurde, sei sie abwechselnd grantig, ärgerlich, traurig. „Es gab auch Tränen.“Sie möchte den Kulturinteressierten etwas anbieten. Es gehe da nicht um Verweigerung und Ignoranz den Gefahren des Virus gegenüber. „Wir tragen seit Monaten unseren Teil bei.“
Wie viele andere Kultureinrichtungen arbeitet Schneider seit Monaten an peniblen Präventionskonzepten. Es gibt Covid-Beauftragte, zugewiesene Sitzplätze, Abstand. „hundert Hinweiszettel“habe man aufgehängt. Und gelegentlich seien sich Schneider und ihre Mitarbeiter wie verdeckte Polizisten vorgekommen, weil sie Menschen sagen mussten „Maske auf“und „Abstand halten“. Und jetzt muss sie alles absagen. Übers Wochenende kamen immer noch Reservierungen für das Filmfestival. „Niemand kennt sich mehr aus“, sagt Schneider. Dabei gab es seit August Veranstaltungen, die „nach wohlgeordneten Vorgaben ablaufen“. Es gibt nirgends Ansteckungs-Cluster, die im Kulturumfeld entstanden wären.
Es heiße ständig, „die größten Gefahren liegen im privaten Bereich“, sagt Schneider. „Jetzt wird jeder Mensch wieder mit seinem Bedürfnis nach kulturellen Angeboten, minimalen sozialen Kontakten, Anregungen, Ablenkungen … ins Privatissimo gedrängt“, sagt sie und versteht das nicht.
Wie Schneider geht es vielen – aber doch zu wenigen. Die Kulturmacher in den nun betroffenen Salzburger Bezirken sind an zwei Händen abzuzählen. Schneider spüre, „wie wir keine Lobby haben und einfach zugesperrt werden“. Und sie fürchtet auch, dass es ein Stadt-Land-Gefälle gibt: „Bei uns wird nicht zwischen verschiedenen Arten der Veranstaltungen unterschieden.“Gespannt sei sie, wie das in der Stadt aussehe, „ob man dort dann anders differenziert“.
In anderen Ländern und auch in den Städten gibt es Druck. In Italien demonstrieren Regisseure, Schauspieler und Musiker gegen die von der Regierung in Rom beschlossene Schließung von Kinos, Theatern und Opernhäusern. „Nicht einmal während des Zweiten Weltkriegs wurden Kinos geschlossen“, klagte der 80-jährige Regisseur Marco Bellocchio im Interview mit der Tageszeitung „La Repubblica“. Auch in München gibt es einen Aufstand der Theatermacher gegen Einschränkungen. Der Unterschied: Elisabeth Schneider kann nicht mit ein paar Tausend Theaterabonnenten drohen. Auch der touristische Aspekt, der bei den politischen Entscheidungen oft eine Rolle spielt, fällt bei lokalen Anbietern weg. Sie und andere Kulturversorger jenseits der urbanen Bereiche machen regionale Versorgung. „Bei uns geht es halt ,nur‘ um 120 oder 150 Leute“, sagt Schneider. „Unser Publikum macht alles vorbildlich mit. Das Bedürfnis nach kulturellen Angeboten ist da, ist wichtig, und wir hatten annähernd übliche Besucherzahlen“, sagt Schneider über die vergangenen Wochen.
Jetzt ist in Radstadt wieder alles still und alles zu. Und Schneider spürt, wie die Kräfte schon ein bisschen nachlassen. Das liege daran, dass sie das Gefühl nicht los werde, dass sie, ihr Publikum und andere kulturelle Einrichtungen den Entscheidern in der Politik „halt wurscht sind“.
„Nichts tun ist sicher keine Alternative.“E. Schneider, Kulturermöglicherin