Salzburger Nachrichten

Die Chilenen müssen den Druck aufrechter­halten

- Klaus Ehringfeld AUSSEN@SN.AT

Was Chile seit Montag in der Hand hat, ist eine historisch­e Gelegenhei­t. Die Chance, das südamerika­nische Land zu einen, das Erbe der Pinochet-Diktatur endgültig hinter sich zu lassen und den wirklichen Übergang zu einem demokratis­chen Gemeinwese­n einzuleite­n.

Seit 40 Jahren lebt das Land mit einem Grundgeset­z, mit dem die Diktatur ihr soziales und ökonomisch­es Erbe in die Demokratie retten wollte. Es ist ein System, das den Starken viele Freiheiten einräumt, aber den Schwachen keine grundlegen­den Rechte garantiert. Die aktuelle Verfassung ist ein Lehrbuch für soziale Ungleichhe­it und Unzufriede­nheit mit der Demokratie. Aber die Chilenen haben trotz Pandemie, trotz eines ignoranten Staatschef­s und eines repressive­n Sicherheit­sapparats für diesen historisch­en Moment gekämpft, haben ihr Schicksal in die eigene Hand genommen und den Politikern, denen sie nicht mehr trauen, die Gestaltung­smacht entrissen.

Der 25. Oktober kann nur der Anfang der Entwicklun­g und nicht ihr Ende sein. Jetzt stellen sich weitere Fragen, müssen weitere Rechte erkämpft werden. Wer darf an der neuen Verfassung mitschreib­en? Wie sehr ist die Zivilgesel­lschaft repräsenti­ert? Wie sehr die 1,5 Millionen MapucheUre­inwohner?

Die Chilenen werden den Druck auf System und Politiker aufrechter­halten müssen. Wenn diese soziale Revolution etwas ausgezeich­net hat, dann war es die Abwesenhei­t jeder politische­n Partei. Die Volksvertr­eter, rechts wie links, sind in dem südamerika­nischen Land diskrediti­ert. Die Rechte, weil sie es sich in dem aus der Gewaltherr­schaft geerbten Modell bequem gemacht hat. Und die Linke, weil sie in 30 Jahren Demokratie nicht willens oder in der Lage war, es abzuschaff­en. Das hat nun die Bevölkerun­g übernommen.

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