Die Chilenen müssen den Druck aufrechterhalten
Was Chile seit Montag in der Hand hat, ist eine historische Gelegenheit. Die Chance, das südamerikanische Land zu einen, das Erbe der Pinochet-Diktatur endgültig hinter sich zu lassen und den wirklichen Übergang zu einem demokratischen Gemeinwesen einzuleiten.
Seit 40 Jahren lebt das Land mit einem Grundgesetz, mit dem die Diktatur ihr soziales und ökonomisches Erbe in die Demokratie retten wollte. Es ist ein System, das den Starken viele Freiheiten einräumt, aber den Schwachen keine grundlegenden Rechte garantiert. Die aktuelle Verfassung ist ein Lehrbuch für soziale Ungleichheit und Unzufriedenheit mit der Demokratie. Aber die Chilenen haben trotz Pandemie, trotz eines ignoranten Staatschefs und eines repressiven Sicherheitsapparats für diesen historischen Moment gekämpft, haben ihr Schicksal in die eigene Hand genommen und den Politikern, denen sie nicht mehr trauen, die Gestaltungsmacht entrissen.
Der 25. Oktober kann nur der Anfang der Entwicklung und nicht ihr Ende sein. Jetzt stellen sich weitere Fragen, müssen weitere Rechte erkämpft werden. Wer darf an der neuen Verfassung mitschreiben? Wie sehr ist die Zivilgesellschaft repräsentiert? Wie sehr die 1,5 Millionen MapucheUreinwohner?
Die Chilenen werden den Druck auf System und Politiker aufrechterhalten müssen. Wenn diese soziale Revolution etwas ausgezeichnet hat, dann war es die Abwesenheit jeder politischen Partei. Die Volksvertreter, rechts wie links, sind in dem südamerikanischen Land diskreditiert. Die Rechte, weil sie es sich in dem aus der Gewaltherrschaft geerbten Modell bequem gemacht hat. Und die Linke, weil sie in 30 Jahren Demokratie nicht willens oder in der Lage war, es abzuschaffen. Das hat nun die Bevölkerung übernommen.