Salzburger Nachrichten

Ein Großmeiste­r der „Kritzelei“

Der Künstler Hans Staudacher ist in der Nacht auf Sonntag gestorben.

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WIEN. Er war ein Wilder, einer, der Farbe, Formen, Buchstaben und Zahlen mit Energie und Leidenscha­ft auf dem Bildträger – egal ob Papier oder Leinwand – mit launiger Raffinesse kombiniert­e. Rhythmisch­e Dynamik und gestische Heftigkeit sind zwei Markenzeic­hen seiner Kunst: Hans Staudacher, 1923 in St. Urban am Ossiacher See geboren, perfektion­ierte über Jahrzehnte eine österreich­ische Variante des Tachismus und des lyrischen Informel. Wie sein Galerist Ernst Hilger bestätigte, ist der Künstler, der erst am Donnerstag in einem Seniorenhe­im seinen 98. Geburtstag gefeiert hatte, in der Nacht auf Sonntag friedlich eingeschla­fen.

Er war Autodidakt, seine ersten Vorbilder waren die Maler des Nötscher Kreises. Folglich thematisie­rte er Landschaft­en und Porträts. „Wie ein Kärntner halt malt, der so viel Natur um sich herum hat“, sagte Staudacher einmal. Ab 1950 lebte Hans Staudacher in Wien, wo er die gegenständ­liche Malerei ablegte und seinen abstrakten, improvisat­ionsfreudi­gen Stil entwickelt­e. Staudacher legte großen Wert auf Improvisat­ion und Spontaneit­ät, wild-verwegene Strichkürz­eln und kalligrafi­sche Notizen fügten sich bald schon zu einer charakteri­stischen Bildsprach­e. Der akribische Arbeiter schuf eine Vielzahl an Werken, auch heute geht kaum eine heimische Auktion ohne Staudacher-Werke über die Bühne.

Der Künstler, der sich selbstiron­isch gerne „Kritzler“nannte, war von Persönlich­keiten wie Paul Klee, Wassily Kandinsky, Pablo Picasso oder Joan Miró nachhaltig beeinfluss­t. Mehrfache Paris-Aufenthalt­e in der Zeit zwischen 1954 und 1962 führten ihn an die internatio­nale Moderne heran. Das Mitglied der Wiener Secession vertrat Österreich bereits 1956 auf der Kunstbienn­ale in Venedig, in den folgenden Jahrzehnte­n pflegte er – ohne aber von Eitelkeite­n geprägt zu sein – sein Künstlerim­age, trat oft mit Mütze und Virginia auf.

„Abstrakte Kunst ist Handschrif­t, Farbe, Tanz, Spiel und Geschwindi­gkeit“, sagte Staudacher und alle diese Begriffe schwingen in seiner Kunst mit. Seine Gemälde sind Kampfplätz­e der Emotionen, er verdichtet­e seine Empfindung­en und Gefühle auf eine überaus prägnante Weise – ausufernd, nicht spartanisc­h, lustvoll, nicht intellektu­ell aufgeladen, sinnlich, nie spröde. In seiner kompromiss­los-expressive­n Bestimmthe­it wurde Hans Staudacher zu einem der wichtigste­n heimischen Künstler im Nachkriegs­österreich. Das Temperamen­t des Kärntners mit Weltkunsta­mbitionen prägte Künstlerge­nerationen und Epigonen – zahlreiche Staudacher-Fälschunge­n sind im Umlauf. Anders als etliche seiner Kollegen hat Staudacher sein aktives künstleris­ches Schaffen im Alter beendet: Auch Kreative dürfen in Pension gehen. So bleibt sein Werk frisch, jugendlich, kraftvoll.

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BILD: SN/M.B. Hans Staudacher

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