Älteste Frau will 120 werden
Nirgends erreichen Menschen so häufig ein biblisches Alter wie in Japan. Daran ändert auch Corona nichts. Die älteste Frau der Welt wurde dort gerade 118. Sie liebt Schokolade und Coca-Cola.
TOKIO. Der schönste Geburtstag, den sie sich hätte vorstellen können, war es nicht. Das ganze vergangene Jahr über konnte Kane Tanaka ihre Familie kaum treffen. Die Besuchszeiten in ihrem Seniorenheim in der südwestjapanischen Stadt Fukuoka sind angesichts der Pandemie schon lang streng reglementiert. Nur ihre Mitbewohner waren bei ihr. Die waren immerhin gute Partygäste. Als das Geburtstagskind forderte: „Klatscht für mich!“, hallte es freudigen Beifall.
Wie sollte es auch anders sein? Inmitten der Coronapandemie, die ihr hässlichstes Gesicht wohl dadurch offenbart, dass sich ihre Ernsthaftigkeit nicht zuletzt in täglich steigenden Todeszahlen misst, wirkt diese alte Dame so frisch, als wäre nichts gewesen. Kane Tanaka ist am 2. Jänner 118 Jahre alt geworden. Schon seit September letzten Jahres ist sie die älteste Person der Welt. Vom Coronavirus bleibt sie dennoch unbeeindruckt. „Ich bin gesund!“ist eine ihrer häufigsten Antworten, die sie auf diverse Fragen von Journalisten gibt. Die Pandemie will sie aussitzen.
Wer Tanaka fragt, wie sie so alt werden konnte, erhält eine typische Erklärung, die auch andere Senioren sowie Wissenschafter häufig geben: Das mentale und körperliche Fithalten in Form von täglicher Aktivität. Kane Tanaka macht jeden Tag Rechenübungen und spielt regelmäßig das strategische Brettspiel Reversi. Ein weiteres Ritual, dessen Effekt allerdings strittig ist: Sie isst gern Schokolade und trinkt Cola. Zumindest bringen diese Freuden die Frau zum Lachen, und eine positive Lebenseinstellung gilt wiederum als besonders wichtig für Langlebigkeit.
Damit ist Kane Tanaka im vergangenen Jahr nicht nur durch ihr schieres Überleben zu einem besonderen Vorbild geworden. Auch durch ihr ruhiges Ausharren gibt sie den Ton vor in einem Land, das zunehmend unzufrieden mit seiner Regierung ist. Die vertraut in ihrer Coronapolitik nämlich auf freiwillige Kooperation der Bevölkerung, scharfe Verbote werden auch deshalb kaum erteilt, weil ohne sie weniger Entschädigungszahlungen an Betroffene fließen müssen. Während der Großteil der Bevölkerung den offiziellen Aufrufen zur „Selbstbeherrschung“geduldig folgt, machten zuletzt insbesondere junge Menschen Schlagzeilen durch Ausscheren. Zwar ist Japan im internationalen Vergleich mit rund 250.000 Infektionsfällen und weniger als 4000 Toten nur relativ leicht von der Pandemie getroffen. Allerdings steckt das Land seit einigen Wochen in seiner dritten Infektionswelle, mit der sich die Fallzahlen in etwa verdoppelt haben.
In den Metropolregionen steht das Gesundheitssystem kurz vor seinen Kapazitätsgrenzen. So befindet sich Japan derzeit kurz vor der nach Mai 2020 zweiten Erklärung eines coronabedingten Ausnahmezustands.
Kane Tanaka versprüht dagegen reichlich Frohsinn. Wenn Journalisten sie in ihrem Seniorenheim besuchen, sitzt sie nicht selten schon in beschriebenen T-Shirts da. Als sie letztes Jahr 117-jährig den Altersrekord brach, stand darauf: „Feier! Japans Alters-Nummer-1.“In die Kamera zeigt sie, wenn auch mit mittlerweile zitternden Händen, gern das Victory-Zeichen.
Tanaka gibt aber nicht nur in ihrem Seniorenheim die Frohnatur, sondern auch über ihren eigenen Twitteraccount, der vermutlich von einem ihrer Enkel oder Ur-Enkel verwaltet wird. Als Tanaka im September zur ältesten Person der Menschheit wurde, twitterte man jedenfalls in ihrem Namen: „Endlich, endlich! Ich bin Japans Nummer eins! Wenn nicht Corona wäre, könnte man sich jetzt treffen. Aber Zeitungen und Internet haben über mich berichtet!“
Nachdem ihr Coca-Cola Ende November eine Reihe eigens mit ihrem Namen bedruckter Colaflaschen geschenkt hatte, lud Tanaka ein Fotoshooting hoch. Und zu ihrem Geburtstag ließ sie die Welt wissen: „Es geht mir gut. (…) Es ist Wahnsinn, dass ich noch schreiben kann!“Ihr mittelfristiges Lebensziel? „Ich will 120 Jahre alt werden!“