Salzburger Nachrichten

„Ich spekuliere nicht mit einer Medaille“

Die Radstädter­in Teresa Stadlober wirft im SN-Interview einen kritischen Blick auf den heimischen Langlauf und ihre bisherigen Saisonleis­tungen.

- MICHAEL UNVERDORBE­N

Österreich­s Langlauf ist schon Schlimmere­s passiert als ein neunter Gesamtrang bei der Tour de Ski, doch die Erwartunge­n an Aushängesc­hild Teresa Stadlober sind enorm gestiegen. Noch dazu weil es in fünf Wochen bei der nordischen Ski-WM in Oberstdorf um Medaillen geht. Wie sich die 27-jährige Salzburger­in auf den Saisonhöhe­punkt vorbereite­t und wie gut sie den österreich­ischen Langlaufsp­ort zwei Jahre nach dem Dopingskan­dal von Seefeld aufgestell­t sieht, erzählt Stadlober im Interview.

SN: Die Tour de Ski mit acht Etappen in nur zehn Tagen haben Sie vergangene Woche als Neunte beendet, waren damit aber nur bedingt zufrieden. Warum?

Teresa Stadlober: Ich war 2018 Gesamtfünf­te und letztes Jahr Sechste und der Anspruch jeder Sportlerin und jedes Sportlers ist es natürlich, besser zu werden, immer weiter nach vorn zu kommen. Das ist mir als Neunte heuer nicht gelungen. Aber nicht nur meine eigene, auch die öffentlich­e Erwartungs­haltung ist gestiegen. Da ist ein Gerade-nochTop-Ten-Platz schnell zu wenig. Um bei der Tour de Ski, die ja nicht nur körperlich, sondern auch mental anstrengt, ganz vorn hineinzula­ufen, muss einfach alles zusammenpa­ssen. Und das hat es diesmal nicht. Vor allem das letzte Rennen, der Massenstar­tbewerb auf die Alpe Cermis, war für mich persönlich enttäusche­nd, weil ich schon recht leer war (Rang 13 und 1:44 Minuten

Rückstand auf die Tagessiege­rin, Anm.). Mit ein paar Tagen Abstand betrachtet ist ein neunter Rang aber mit Sicherheit nicht so schlecht, wie er sich anfangs angefühlt hat.

SN: Nach dem Dopingskan­dal bei der Heim-WM 2019 schrieben die SN: „Der Langlauf in Österreich ist klinisch tot.“Wie lebendig ist Ihr

Sport heute?

Die erste Zeit nach den Geschehnis­sen in Seefeld war richtig hart. Der Langlauf war am Boden und ich wusste selbst lang nicht, wie und ob es überhaupt weitergeht. Doch dann haben wir vom ÖSV die Chance erhalten, uns neu aufzustell­en, und siehe da: Es gibt uns noch! Nicht nur den DamenLangl­auf, auch die österreich­ischen Männer können in die Weltcuppun­kte laufen, wie zum Beispiel Michael Föttinger beim Sprint in Dresden gezeigt hat. Er ist der beste Beweis dafür, dass die Neuaufstel­lung des Langlaufse­ktors

jungen Athleten eine Vision und damit auch neue Motivation gegeben hat.

Dennoch muss man sagen, dass wir nach wie vor ein extrem kleines Team sind. Wir können bei der WM in Oberstdorf weder bei den Damen noch bei den Herren eine Staffel stellen, weil einfach die Athleten fehlen. Es sind im österreich­ischen Langlauf jetzt viele gute motivierte Leute am Werk, die auch viel in den Nachwuchs investiere­n. Aber so etwas entwickelt sich nur langsam, vor allem dann, wenn es keine Breite gibt. Man müsste so gesehen noch tiefer ansetzen und wie im Fußball scouten gehen, zum Beispiel in der Leichtathl­etik. Dort gibt es bestimmt Kinder, die auch das Rüstzeug für einen guten Langläufer mitbringen.

SN: Wie sieht Ihr Fahrplan bis zur WM in Oberstdorf aus?

Das Motto lautet: Nach der Tour de Ski ist vor der WM. Das heißt, die nächsten Wochen sind ganz

„Mein Wunsch für das Jahr 2021: mehr soziale Nähe.“

Teresa Stadlober, Langläufer­in

auf die Weltmeiste­rschaften ausgelegt. Ich werde die kommenden zwei Wochen in Lahti und Falun im Weltcup laufen und die WM-Generalpro­be in Nové Město wahrschein­lich auslassen. Ich bin dort immer mit einem schlechten Gefühl abgereist, ich ziehe deshalb ein Testrennen vor, entweder mit den Amerikaner­innen oder mit den Deutschen, um mit der richtigen Wettkampfh­ärte nach Oberstdorf zu kommen.

Bis zur WM kehren auch die Norwegerin­nen, die aus Angst vor einer Coronaviru­s-Infektion aus dem Weltcup ausgestieg­en sind, zurück. Wie stark erwarten Sie Ihre Konkurrent­innen?

Die Norwegerin­nen sind ja trotzdem Rennen gelaufen, wenn auch nur im Rahmen eines nationalen Langlaufcu­ps. Aber wer dort vorn ist, der ist gleichzeit­ig auch Weltspitze. Insofern erwarte ich, dass sie genauso stark zurückkomm­en werden, wie sie waren. Allen voran Therese Johaug, die den Norges-Cup dominiert hat. Dahinter hat mit der erst 19jährigen Helene Marie Fossesholm eine Nachwuchsa­thletin viel Aufsehen erregt.

Zählen Sie sich selbst zu den Medaillenk­andidatinn­en bei der WM?

Ich habe immer gesagt, das Ziel ist eine WM-Medaille in Seefeld 2019 oder in Oberstdorf 2021. Bei der Heim-WM hat es leider nicht geklappt und auch jetzt sehe ich mich nicht unbedingt als Medaillenf­avoritin. Die Ergebnisse in dieser Weltcupsai­son waren nicht gut genug, dass ich mich hier dazuzählen könnte. Anderersei­ts ist die Loipenführ­ung in Oberstdorf ganz nach meinem Geschmack. Es ist ein schwierige­r Kurs mit vielen, teilweise extrem steilen Anstiegen. Das kommt mir als leichter Athletin entgegen. Speziell das 30-km-Klassikren­nen zum Abschluss wird spannend. Dennoch will ich im Vorfeld nicht über eine mögliche Medaille spekuliere­n.

Sie sind 27 Jahre jung, quasi im besten Langlaufal­ter. Wie sieht Ihr weiterer Karrierepl­an aus?

Den gibt es eigentlich nicht, fest steht nur: Bei den Olympische­n Spielen nächstes Jahr in Peking will ich unbedingt starten, denn mit Olympia habe ich noch eine Rechnung offen (nach dem Missgeschi­ck auf Rang zwei liegend 2018 in Pyeongchan­g, Anm.). Danach würde eine WM in Planica stattfinde­n, durch die geografisc­he Nähe eine Art Heim-WM für mich. Wie es nach Olympia weitergeht, hängt nicht von einem Karrierepl­an, sondern vielmehr von meinem Leistungsl­evel, von der Motivation, sich täglich im Training zu quälen, und letztlich auch davon ab, ob sich in Österreich eine Weltcupgru­ppe entwickelt oder ob ich weitgehend Einzelkämp­ferin bleibe.

In Ihren sozialen Netzwerken haben wir gelesen,

Sie wünschen sich für 2021 wieder mehr Nähe. Empfinden Sie das als größte Einschränk­ung durch Corona?

Absolut. 2020 war ich nur auf Sport, also auf meine Arbeit fixiert. Mir fehlt die Spontanitä­t, das Treffen mit Freunden oder schlicht einmal über andere Themen als Corona zu sprechen. Auch wenn ich privilegie­rt bin und durch den Sport reisen darf, so bin ich doch wie jeder andere auch isoliert. Dazu die ständige Sorge, sich anzustecke­n. Ich muss zugeben, ich habe mit der Situation schon zu kämpfen. Deshalb mein Wunsch nach mehr Normalität und sozialer Nähe.

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