„Ich spekuliere nicht mit einer Medaille“
Die Radstädterin Teresa Stadlober wirft im SN-Interview einen kritischen Blick auf den heimischen Langlauf und ihre bisherigen Saisonleistungen.
Österreichs Langlauf ist schon Schlimmeres passiert als ein neunter Gesamtrang bei der Tour de Ski, doch die Erwartungen an Aushängeschild Teresa Stadlober sind enorm gestiegen. Noch dazu weil es in fünf Wochen bei der nordischen Ski-WM in Oberstdorf um Medaillen geht. Wie sich die 27-jährige Salzburgerin auf den Saisonhöhepunkt vorbereitet und wie gut sie den österreichischen Langlaufsport zwei Jahre nach dem Dopingskandal von Seefeld aufgestellt sieht, erzählt Stadlober im Interview.
SN: Die Tour de Ski mit acht Etappen in nur zehn Tagen haben Sie vergangene Woche als Neunte beendet, waren damit aber nur bedingt zufrieden. Warum?
Teresa Stadlober: Ich war 2018 Gesamtfünfte und letztes Jahr Sechste und der Anspruch jeder Sportlerin und jedes Sportlers ist es natürlich, besser zu werden, immer weiter nach vorn zu kommen. Das ist mir als Neunte heuer nicht gelungen. Aber nicht nur meine eigene, auch die öffentliche Erwartungshaltung ist gestiegen. Da ist ein Gerade-nochTop-Ten-Platz schnell zu wenig. Um bei der Tour de Ski, die ja nicht nur körperlich, sondern auch mental anstrengt, ganz vorn hineinzulaufen, muss einfach alles zusammenpassen. Und das hat es diesmal nicht. Vor allem das letzte Rennen, der Massenstartbewerb auf die Alpe Cermis, war für mich persönlich enttäuschend, weil ich schon recht leer war (Rang 13 und 1:44 Minuten
Rückstand auf die Tagessiegerin, Anm.). Mit ein paar Tagen Abstand betrachtet ist ein neunter Rang aber mit Sicherheit nicht so schlecht, wie er sich anfangs angefühlt hat.
SN: Nach dem Dopingskandal bei der Heim-WM 2019 schrieben die SN: „Der Langlauf in Österreich ist klinisch tot.“Wie lebendig ist Ihr
Sport heute?
Die erste Zeit nach den Geschehnissen in Seefeld war richtig hart. Der Langlauf war am Boden und ich wusste selbst lang nicht, wie und ob es überhaupt weitergeht. Doch dann haben wir vom ÖSV die Chance erhalten, uns neu aufzustellen, und siehe da: Es gibt uns noch! Nicht nur den DamenLanglauf, auch die österreichischen Männer können in die Weltcuppunkte laufen, wie zum Beispiel Michael Föttinger beim Sprint in Dresden gezeigt hat. Er ist der beste Beweis dafür, dass die Neuaufstellung des Langlaufsektors
jungen Athleten eine Vision und damit auch neue Motivation gegeben hat.
Dennoch muss man sagen, dass wir nach wie vor ein extrem kleines Team sind. Wir können bei der WM in Oberstdorf weder bei den Damen noch bei den Herren eine Staffel stellen, weil einfach die Athleten fehlen. Es sind im österreichischen Langlauf jetzt viele gute motivierte Leute am Werk, die auch viel in den Nachwuchs investieren. Aber so etwas entwickelt sich nur langsam, vor allem dann, wenn es keine Breite gibt. Man müsste so gesehen noch tiefer ansetzen und wie im Fußball scouten gehen, zum Beispiel in der Leichtathletik. Dort gibt es bestimmt Kinder, die auch das Rüstzeug für einen guten Langläufer mitbringen.
SN: Wie sieht Ihr Fahrplan bis zur WM in Oberstdorf aus?
Das Motto lautet: Nach der Tour de Ski ist vor der WM. Das heißt, die nächsten Wochen sind ganz
„Mein Wunsch für das Jahr 2021: mehr soziale Nähe.“
Teresa Stadlober, Langläuferin
auf die Weltmeisterschaften ausgelegt. Ich werde die kommenden zwei Wochen in Lahti und Falun im Weltcup laufen und die WM-Generalprobe in Nové Město wahrscheinlich auslassen. Ich bin dort immer mit einem schlechten Gefühl abgereist, ich ziehe deshalb ein Testrennen vor, entweder mit den Amerikanerinnen oder mit den Deutschen, um mit der richtigen Wettkampfhärte nach Oberstdorf zu kommen.
Bis zur WM kehren auch die Norwegerinnen, die aus Angst vor einer Coronavirus-Infektion aus dem Weltcup ausgestiegen sind, zurück. Wie stark erwarten Sie Ihre Konkurrentinnen?
Die Norwegerinnen sind ja trotzdem Rennen gelaufen, wenn auch nur im Rahmen eines nationalen Langlaufcups. Aber wer dort vorn ist, der ist gleichzeitig auch Weltspitze. Insofern erwarte ich, dass sie genauso stark zurückkommen werden, wie sie waren. Allen voran Therese Johaug, die den Norges-Cup dominiert hat. Dahinter hat mit der erst 19jährigen Helene Marie Fossesholm eine Nachwuchsathletin viel Aufsehen erregt.
Zählen Sie sich selbst zu den Medaillenkandidatinnen bei der WM?
Ich habe immer gesagt, das Ziel ist eine WM-Medaille in Seefeld 2019 oder in Oberstdorf 2021. Bei der Heim-WM hat es leider nicht geklappt und auch jetzt sehe ich mich nicht unbedingt als Medaillenfavoritin. Die Ergebnisse in dieser Weltcupsaison waren nicht gut genug, dass ich mich hier dazuzählen könnte. Andererseits ist die Loipenführung in Oberstdorf ganz nach meinem Geschmack. Es ist ein schwieriger Kurs mit vielen, teilweise extrem steilen Anstiegen. Das kommt mir als leichter Athletin entgegen. Speziell das 30-km-Klassikrennen zum Abschluss wird spannend. Dennoch will ich im Vorfeld nicht über eine mögliche Medaille spekulieren.
Sie sind 27 Jahre jung, quasi im besten Langlaufalter. Wie sieht Ihr weiterer Karriereplan aus?
Den gibt es eigentlich nicht, fest steht nur: Bei den Olympischen Spielen nächstes Jahr in Peking will ich unbedingt starten, denn mit Olympia habe ich noch eine Rechnung offen (nach dem Missgeschick auf Rang zwei liegend 2018 in Pyeongchang, Anm.). Danach würde eine WM in Planica stattfinden, durch die geografische Nähe eine Art Heim-WM für mich. Wie es nach Olympia weitergeht, hängt nicht von einem Karriereplan, sondern vielmehr von meinem Leistungslevel, von der Motivation, sich täglich im Training zu quälen, und letztlich auch davon ab, ob sich in Österreich eine Weltcupgruppe entwickelt oder ob ich weitgehend Einzelkämpferin bleibe.
In Ihren sozialen Netzwerken haben wir gelesen,
Sie wünschen sich für 2021 wieder mehr Nähe. Empfinden Sie das als größte Einschränkung durch Corona?
Absolut. 2020 war ich nur auf Sport, also auf meine Arbeit fixiert. Mir fehlt die Spontanität, das Treffen mit Freunden oder schlicht einmal über andere Themen als Corona zu sprechen. Auch wenn ich privilegiert bin und durch den Sport reisen darf, so bin ich doch wie jeder andere auch isoliert. Dazu die ständige Sorge, sich anzustecken. Ich muss zugeben, ich habe mit der Situation schon zu kämpfen. Deshalb mein Wunsch nach mehr Normalität und sozialer Nähe.