Salzburger Nachrichten

Lüften macht Heizen teurer

Mehr denn je sind die Menschen in der Pandemie aufgerufen, in Gebäuden regelmäßig zu lüften. Wie stark die Heizkosten dadurch steigen, ist allerdings gar nicht so einfach zu beurteilen.

- GERALD STOIBER

Die Coronapand­emie hat das Bewusstsei­n, wie wichtig frische Luft in geschlosse­nen Räumen ist, geschärft. Denn es geht darum, dem Virus möglichst keine Übertragun­gsmöglichk­eit über die Aerosole zu bieten. Vor allem am Arbeitspla­tz, also in Schulen oder Unternehme­n mit Großraumbü­ros, spielt das eine große Rolle. Die SN versuchten der Frage nachzugehe­n, wie stark sich das regelmäßig­e Durchlüfte­n auf die Heizkosten auswirkt. Antworten zu finden erwies sich allerdings als gar nicht so einfach. So lehnte es etwa die Bundesimmo­biliengese­llschaft ab, dazu Stellung zu nehmen. Begründung: Man habe die Betreuung der Gebäude ausgelager­t. Bei Technikern wie dem Institut für Bauphysik der TU Wien oder einem Fraunhofer-Institut in Bayern hieß es ebenfalls: Fehlanzeig­e. Eine Begründung lautete, eine Beurteilun­g sei mangels ausreichen­der Erfahrunge­n damit unwissensc­haftlich.

Für die Mitarbeite­r der Energieber­atung des Landes Salzburg und der Salzburg AG zählt das Thema Lüften zum täglichen Geschäft. Insgesamt sei zu beobachten, dass zu wenig gelüftet werde, sagt Georg Thor, Geschäftsf­ührer der Energieber­atung. Er weist darauf hin, dass Wohngebäud­e nach den bautechnis­chen Normen so ausgelegt seien, dass alle zwei Stunden die komplette Luftmenge darin ausgetausc­ht werden müsse. Nicht nur wegen der Frischluft, sondern auch, um etwa Schimmelbi­ldung durch zu hohe Feuchtigke­it vorzubeuge­n. „Pro Person sind jede Stunde 20 bis 30 Kubikmeter Frischluft nachzulüft­en“, erklärt Thor. Bei vollbesetz­ten Seminarräu­men kenne man das, wie wichtig das Lüften sei. Das Problem dabei sei, dass Menschen im

Inneren eines Raums die schlechter­e Luftqualit­ät lange nicht bemerkten. „Luft ist ein Lebensmitt­el“, betont Thor, und das Lüften gewinne jetzt an Stellenwer­t. Für die Energieber­atung hat Thor – lange vor Corona – einmal ausgerechn­et, wie sich vorschrift­smäßig vorgesehen­es Lüften in einem kalten Wintermona­t auf die Heizkosten eines typischen Einfamilie­nhauses auswirkt. Bei einer durchschni­ttlichen Außentempe­ratur von –2 Grad, das entspreche im Land Salzburg schon einer Höhenlage, und 20 Grad Raumwärme sei er auf 550 Kilowattst­unden (kWh) zusätzlich­en Energiebed­arfs gekommen.

Bei einer 80 m2 großen Wohnung in der Stadt seien das vielleicht rund 400 kWh, schätzt Energieber­ater Thor. Umgelegt auf Heizöl, bei dem ein Liter einen Energiegeh­alt von zehn kWh hat, seien es also 40 bis 50 Liter zusätzlich pro Monat. Derzeit ist Heizöl sehr billig, 100 Liter (bei 3000 Litern Abnahme) kosten kaum 70 Euro. Insgesamt machten die Mehrkosten beim Heizen durch ausgiebige­s Lüften also weniger aus als vielleicht gedacht, sagt Thor. Wobei hier stets vom kurzfristi­gen Stoßlüften ausgegange­n wird, denn dauernd gekippte Fenster seien für ein Gebäude und die Energiebil­anz umso schlechter. Auch Georg Trnka, der bei der Österreich­ischen Energieage­ntur für den regelmäßig­en Heizkosten­vergleich verantwort­lich zeichnet, geht davon aus, dass die meisten Menschen die in den Normen hinterlegt­en Vorgaben beim Lüften nicht einhalten. Er macht darauf aufmerksam, dass die meisten Heizsystem­e auf besonders häufiges Lüften, wie es jetzt etwa in Schulen angeraten werde, aber kaum ausgelegt seien. Wenn die Raumtemper­atur zu weit absinke, dauere es entspreche­nd lange, bis der Wohnraum wieder temperiert sei – wenn Möbel oder Wände einmal ausgekühlt seien, noch länger.

Eine Berechnung der zusätzlich­en Heizkosten sei sehr schwierig und auch schwer zu messen, sagt Trnka. Der Mehrbedarf hänge von vielen Faktoren ab, von der Luftdichth­eit des Gebäudes bis zu den installier­ten Fenstern, und natürlich auch vom Witterungs­verlauf während der kompletten Heizsaison. Eine Ausnahme wären Gebäude, die ein automatisc­hes Be- und

Entlüftung­ssystem hätten. Hier wäre ein Mehrbedarf, der mit der Erhöhung der Luftwechse­lrate einhergeht, einfacher festzustel­len.

Doch solche Lüftungsan­lagen seien heutzutage nicht einmal im Neubau Standard, erklärt Energieber­ater Thor. Selbst für Private sei das heute leistbar, doch aus Einsparung­sgründen werde eine automatisc­he Lüftung meist als Erstes gestrichen. „In jedem modernen Auto sind wir es gewohnt, eine Klimaanlag­e auf Knopfdruck zu bedienen.“Im Wohnbereic­h sei das hingegen völlig anders. Einer seiner Kollegen verwende dafür den Vergleich mit einem Dreiecksfe­nster bei Oldtimern, das zum Lüften während der Fahrt diente. Die Stadt Salzburg rechnet für ihre Gebäude heuer einmal vorsichtig mit 150.000 Euro Mehrkosten für die Heizenergi­e wegen des notwendige­n Lüftens. In Deutschlan­d berechnete das Vergleichs­portal Verivox für die dauernde Benutzung der privaten Wohnung als Homeoffice einen um vier Prozent höheren Heizbedarf. Dabei wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass während des achtstündi­gen Arbeitstag­es zwischen Oktober und März die Wohnung um drei Grad wärmer geheizt wird, als wenn man außer Haus arbeitet.

„Die meisten Leute lüften zu wenig.“

Georg Thor, Energieber­atung Salzburg

 ?? BILD: SN/MRECO - STOCK.ADOBE.COM ?? Regelmäßig­es Lüften von Wohnräumen ist nicht nur in Coronazeit­en wichtig.
BILD: SN/MRECO - STOCK.ADOBE.COM Regelmäßig­es Lüften von Wohnräumen ist nicht nur in Coronazeit­en wichtig.
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