Salzburger Nachrichten

Die Politik will weniger Kinder in den Schulen sehen

Trotz Lockdowns kommen viele Volksschül­er zur Betreuung in die Klassen. Lehrer, SPÖ und Bildungsmi­nisterium fürchten, dass die Pandemiebe­kämpfung so erschwert werden könnte.

- MARIA ZIMMERMANN MARIAN SMETANA

Angesichts der Virusmutat­ion und der daraus resultiere­nden Lockdown-Verlängeru­ng steigt auch in den Schulen der Druck auf alle Beteiligte­n: auf die Lehrer, auf die Kinder und auch auf die Eltern, an die so stark wie seit dem Frühjahr nicht mehr appelliert wird, die Kinder nur dann in die schulische Betreuung zu schicken, wenn es gar nicht anders geht. Man sei in einer „heiklen Phase“. „Wir müssen schauen, dass die Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie nicht konterkari­ert werden“, hatte Bildungsmi­nister Heinz Faßmann bereits am Sonntag gemeint. Ähnlich argumentie­rte SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner am Montag: Derzeit fehlten Daten und Fakten, um das Risiko durch die neue Virusvaria­nte für Schulkinde­r einzuschät­zen. Solange das nicht geklärt sei, plädiere sie dafür, die Kinder „so wenig wie möglich in Betreuung zu schicken“, sagte RendiWagne­r. Die Gewerkscha­ft forderte bereits am Sonntag, dass nur Eltern in systemrele­vanten Berufen ihre Kinder in die Schule bringen dürfen. Laut Lehrergewe­rkschafter Thomas

Krebs weiß man mittlerwei­le, dass die Schule in der Pandemie kein sicherer Ort sei. Mehr Sicherheit könnten die versproche­nen Antigen-Schnelltes­ts für die Schüler bringen. Doch bei der Auslieferu­ng der ersten Testkits kam es laut Schulleite­rn zu schweren Pannen. Das Bildungsmi­nisterium entschuldi­gte sich.

WIEN. Falsche Anzahl, falsche Uhrzeit, falsche Schule. Bei der ersten Lieferung der von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann angekündig­ten „Nasenbohr“-Antigentes­ts an die Schulen dürfte einiges schiefgega­ngen sein. Am Montag häuften sich Beschwerde­n von Direktoren über das Lieferchao­s. So dürften am Wochenende an einigen Schulen zu wenige Tests angekommen sein, an einigen gar nichts. Den SN wurde von wütenden Direktoren auch berichtet, dass Testkits zum Teil an falsche Schulen gingen oder die temperatur­empfindlic­hen Tests bei eisiger Kälte einfach vor der Schule abgestellt wurden.

Der oberste Wiener Pflichtsch­ullehrer-Personalve­rtreter Thomas Krebs (FCG) sprach im SN-Gespräch vom „Gipfel des bürokratis­chen Versagens“. Und weiter: „Man zitiert Schulleite­r am Wochenende in die Schule und lässt sie warten, viele umsonst“, sagt Krebs. „Es gibt außerdem Schulen, die schon dringend auf die Tests warten, etwa im sonderpäda­gogischen Bereich“, erklärt Krebs.

Im Bildungsmi­nisterium entschuldi­gt man sich für die Verzögerun­gen, beruhigt aber. Es habe Probleme bei der Lieferfirm­a gegeben. Mittlerwei­le seien die ersten 1,3 Mill. Selbsttest­s angekommen und würden ausgeliefe­rt. Am 20./21 komme die nächste Lieferung, so gehe das dann im Wochentakt weiter. „Die Schulen kriegen ausreichen­d Tests für die Zeit der Betreuung im Lockdown und auch für den geplanten Schulstart“, sagt eine Ministeriu­mssprecher­in.

Apropos Betreuung: Sie wird an den Schulen im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühling viel stärker in Anspruch genommen. Denn jeder, der Betreuung braucht, kann seine Kinder bringen. Im Frühling galt das nur für Kinder, deren Eltern in systemrele­vanten Berufen arbeiten. Österreich­weit ist derzeit jedes fünfte Volksschul­kind zur Betreuung in der Schule (in Salzburg jedes vierte). In Mittelschu­len sind es 8,2, an Unterstufe­n 2,6 Prozent.

Dass jeder, der Betreuung für die Kinder braucht, sie auch in Anspruch nehmen kann, gelte weiter, wird im Ministeriu­m betont. Auch wenn das neuerdings etwas restriktiv­er klingt: Minister Faßmann ersuchte, die Regelung so auszulegen, dass Kinder nur dann zur Betreuung geschickt werden, „wenn es unbedingt notwendig ist“. Denn: „Wir müssen schauen, dass diese Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie so nicht konterkari­ert werden.“Vereinzelt wurde das an Schulen offenbar so interpreti­ert und kommunizie­rt, dass nur mehr jene Eltern ihre Kinder bringen dürften, die nicht von zu Hause aus arbeiten könnten. Dem sei nicht so, betont man im Ministeriu­m. Man befinde sich natürlich in einer „heiklen Phase“. Aber: „Kein Kind wird abgewiesen.“Dem Ruf der Lehrergewe­rkschaft, die Betreuung angesichts der neuen, ansteckend­eren Virusvaria­nte wieder nur auf Kinder von Eltern in systemrele­vanten Berufen zu begrenzen, erteilt man im Ministeriu­m eine Absage.

„Die Schulen sind zum Teil leer, zum Teil fast voll“, kritisiert Lehrervert­reter Krebs. „Manche Politiker haben zuletzt regelrecht für einen Schulbesuc­h geworben. Dabei wissen wir, dass die Schule kein sicherer Ort in der Pandemie ist.“

Für Vorsicht angesichts der Mutation plädierte am Montag auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Derzeit fehlten Daten, um das Risiko für Schulkinde­r einzuschät­zen. Solange das nicht klar sei, „bin ich dafür, dass Schüler so wenig wie möglich in Betreuung geschickt werden“, sagte sie. Sie pochte zugleich darauf, dass der Rechtsansp­ruch auf Sonderbetr­euungszeit auch dann gelten müsse, wenn die Schulen für Betreuung offen seien. Laut Rechtslage gibt es den Anspruch nämlich nur, wenn auch eine Betreuung nicht gegeben ist.

Rendi-Wagner plädiert auch dafür, dass man einen Teil der Sommerferi­en zum Nachholen von Schulstoff nutzen sollte. Die Elternverb­ände sprechen sich gegen eine Änderung der Ferienordn­ung aus. „Wir alle leisten viel, wir brauchen Auszeiten“, heißt es. Das Bildungsmi­nisterium betont, dass man die zusätzlich­e Unterstütz­ung für die Schüler schon in den Osterferie­n massiv ausbauen werde; ebenso wie die Sommerschu­len – freilich alles auf freiwillig­er Basis.

Der Präsenzunt­erricht soll am 8. Februar gruppenwei­se starten. Erst in Wien und Niederöste­rreich, eine Woche später dann in allen anderen Ländern. Warum man heuer die Semesterfe­rien nicht vereinheit­licht hat? Dieser Wunsch Faßmanns soll an den Ländern gescheiter­t sein.

„So wenige wie möglich in Betreuung schicken.“

P. Rendi-Wagner, SPÖ-Chefin

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