Die Politik will weniger Kinder in den Schulen sehen
Trotz Lockdowns kommen viele Volksschüler zur Betreuung in die Klassen. Lehrer, SPÖ und Bildungsministerium fürchten, dass die Pandemiebekämpfung so erschwert werden könnte.
Angesichts der Virusmutation und der daraus resultierenden Lockdown-Verlängerung steigt auch in den Schulen der Druck auf alle Beteiligten: auf die Lehrer, auf die Kinder und auch auf die Eltern, an die so stark wie seit dem Frühjahr nicht mehr appelliert wird, die Kinder nur dann in die schulische Betreuung zu schicken, wenn es gar nicht anders geht. Man sei in einer „heiklen Phase“. „Wir müssen schauen, dass die Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie nicht konterkariert werden“, hatte Bildungsminister Heinz Faßmann bereits am Sonntag gemeint. Ähnlich argumentierte SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner am Montag: Derzeit fehlten Daten und Fakten, um das Risiko durch die neue Virusvariante für Schulkinder einzuschätzen. Solange das nicht geklärt sei, plädiere sie dafür, die Kinder „so wenig wie möglich in Betreuung zu schicken“, sagte RendiWagner. Die Gewerkschaft forderte bereits am Sonntag, dass nur Eltern in systemrelevanten Berufen ihre Kinder in die Schule bringen dürfen. Laut Lehrergewerkschafter Thomas
Krebs weiß man mittlerweile, dass die Schule in der Pandemie kein sicherer Ort sei. Mehr Sicherheit könnten die versprochenen Antigen-Schnelltests für die Schüler bringen. Doch bei der Auslieferung der ersten Testkits kam es laut Schulleitern zu schweren Pannen. Das Bildungsministerium entschuldigte sich.
WIEN. Falsche Anzahl, falsche Uhrzeit, falsche Schule. Bei der ersten Lieferung der von Bildungsminister Heinz Faßmann angekündigten „Nasenbohr“-Antigentests an die Schulen dürfte einiges schiefgegangen sein. Am Montag häuften sich Beschwerden von Direktoren über das Lieferchaos. So dürften am Wochenende an einigen Schulen zu wenige Tests angekommen sein, an einigen gar nichts. Den SN wurde von wütenden Direktoren auch berichtet, dass Testkits zum Teil an falsche Schulen gingen oder die temperaturempfindlichen Tests bei eisiger Kälte einfach vor der Schule abgestellt wurden.
Der oberste Wiener Pflichtschullehrer-Personalvertreter Thomas Krebs (FCG) sprach im SN-Gespräch vom „Gipfel des bürokratischen Versagens“. Und weiter: „Man zitiert Schulleiter am Wochenende in die Schule und lässt sie warten, viele umsonst“, sagt Krebs. „Es gibt außerdem Schulen, die schon dringend auf die Tests warten, etwa im sonderpädagogischen Bereich“, erklärt Krebs.
Im Bildungsministerium entschuldigt man sich für die Verzögerungen, beruhigt aber. Es habe Probleme bei der Lieferfirma gegeben. Mittlerweile seien die ersten 1,3 Mill. Selbsttests angekommen und würden ausgeliefert. Am 20./21 komme die nächste Lieferung, so gehe das dann im Wochentakt weiter. „Die Schulen kriegen ausreichend Tests für die Zeit der Betreuung im Lockdown und auch für den geplanten Schulstart“, sagt eine Ministeriumssprecherin.
Apropos Betreuung: Sie wird an den Schulen im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühling viel stärker in Anspruch genommen. Denn jeder, der Betreuung braucht, kann seine Kinder bringen. Im Frühling galt das nur für Kinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten. Österreichweit ist derzeit jedes fünfte Volksschulkind zur Betreuung in der Schule (in Salzburg jedes vierte). In Mittelschulen sind es 8,2, an Unterstufen 2,6 Prozent.
Dass jeder, der Betreuung für die Kinder braucht, sie auch in Anspruch nehmen kann, gelte weiter, wird im Ministerium betont. Auch wenn das neuerdings etwas restriktiver klingt: Minister Faßmann ersuchte, die Regelung so auszulegen, dass Kinder nur dann zur Betreuung geschickt werden, „wenn es unbedingt notwendig ist“. Denn: „Wir müssen schauen, dass diese Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie so nicht konterkariert werden.“Vereinzelt wurde das an Schulen offenbar so interpretiert und kommuniziert, dass nur mehr jene Eltern ihre Kinder bringen dürften, die nicht von zu Hause aus arbeiten könnten. Dem sei nicht so, betont man im Ministerium. Man befinde sich natürlich in einer „heiklen Phase“. Aber: „Kein Kind wird abgewiesen.“Dem Ruf der Lehrergewerkschaft, die Betreuung angesichts der neuen, ansteckenderen Virusvariante wieder nur auf Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen zu begrenzen, erteilt man im Ministerium eine Absage.
„Die Schulen sind zum Teil leer, zum Teil fast voll“, kritisiert Lehrervertreter Krebs. „Manche Politiker haben zuletzt regelrecht für einen Schulbesuch geworben. Dabei wissen wir, dass die Schule kein sicherer Ort in der Pandemie ist.“
Für Vorsicht angesichts der Mutation plädierte am Montag auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Derzeit fehlten Daten, um das Risiko für Schulkinder einzuschätzen. Solange das nicht klar sei, „bin ich dafür, dass Schüler so wenig wie möglich in Betreuung geschickt werden“, sagte sie. Sie pochte zugleich darauf, dass der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit auch dann gelten müsse, wenn die Schulen für Betreuung offen seien. Laut Rechtslage gibt es den Anspruch nämlich nur, wenn auch eine Betreuung nicht gegeben ist.
Rendi-Wagner plädiert auch dafür, dass man einen Teil der Sommerferien zum Nachholen von Schulstoff nutzen sollte. Die Elternverbände sprechen sich gegen eine Änderung der Ferienordnung aus. „Wir alle leisten viel, wir brauchen Auszeiten“, heißt es. Das Bildungsministerium betont, dass man die zusätzliche Unterstützung für die Schüler schon in den Osterferien massiv ausbauen werde; ebenso wie die Sommerschulen – freilich alles auf freiwilliger Basis.
Der Präsenzunterricht soll am 8. Februar gruppenweise starten. Erst in Wien und Niederösterreich, eine Woche später dann in allen anderen Ländern. Warum man heuer die Semesterferien nicht vereinheitlicht hat? Dieser Wunsch Faßmanns soll an den Ländern gescheitert sein.
„So wenige wie möglich in Betreuung schicken.“
P. Rendi-Wagner, SPÖ-Chefin