Salzburger Nachrichten

Und wieder pfeift die Regierung auf die Frauen

Experten sprechen – nur Männer. Politiker kündigen an – alles Männer. Und dann wundert man sich, wenn die Bevölkerun­g nicht mehr richtig mitzieht?

- Karin Zauner KARIN.ZAUNER@SN.AT

Warum es bedeutsam ist, dass Frauen bei Entscheidu­ngen mitwirken, hat der Vizerektor der MedUni Wien, Oswald Wagner, dieser Tage unbewusst, aber eindrückli­ch mit einer Entschuldi­gung gezeigt. Der Labormediz­iner hatte sich öffentlich dafür entschuldi­gt, dass er tags zuvor gemeint hatte, Homeoffice sei auch deshalb das Gebot der Stunde, weil dann die Kinder zu Hause betreut werden könnten. Vorab: Hut ab für das sympathisc­he Eingeständ­nis von Wagners Unwissenhe­it. Aber die ist nicht das Problem.

Das eigentlich­e Problem ist, dass wir in Österreich zwar hervorrage­nde Expertinne­n in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Sozialwiss­enschaften haben, aber seit einem Jahr mit Pandemie von der Regierung fast nur Männer vorgesetzt bekommen. Selbst als vergangene­s Wochenende nicht mehr nur das virologisc­he Polit-Quartett mit Kurz, Kogler, Nehammer und Anschober den wiederholt­en Lockdown präsentier­t hat, sondern auch drei „regierungs­fremde“Personen, war keine Frau zugelassen. Nicht die Infektiolo­gin, Mutter und profunde Pandemie-Expertin, SPÖ-Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner, durfte sprechen, dafür aber ihr Parteikoll­ege, Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig.

Gut die Hälfte der Bevölkerun­g sind Frauen. Unbestritt­en ist, dass sie einen Großteil der negativen Auswirkung­en von Corona stemmen. Ihr Preis dafür: Die einen sind in Pflege, Handel und Kinderbetr­euung einem erhöhten Gesundheit­srisiko ausgesetzt, die anderen haben finanziell­e Einbußen und verlieren in ihrer berufliche­n Entwicklun­g Terrain, weil sie in den Familien zu gefordert sind. Für nicht wenige Frauen trifft beides zu.

Wo aber sind die Stimmen der Frauen, wenn über den x-ten Lockdown und die x-te Nicht-Schulöffnu­ng entschiede­n wird? Warum korrigiert niemand in einem Wissenscha­fterteam, das die Österreich­erinnen und Österreich­er auf weitere Zumutungen einschwört, den Kollegen, wenn er völlig falsch liegt? Weil sie das Falsche offensicht­lich nicht einmal erkennen. In ihren Lebenswelt­en spielt das Szenario Angst vor Jobverlust, die Sorge um die Entwicklun­g der Kinder, ein gereizter Chef in der Videokonfe­renz bei gleichzeit­ig überforder­ten Kindern im Homeschool­ing, die bald warmes Essen wollen, keine Rolle. Die Frauen haben in den entscheide­nden Gremien nichts zu reden und sie haben keine Stimme nach außen. Warum zieht die Bevölkerun­g bei den Pandemiema­ßnahmen nicht mehr richtig mit? Es ist kein Wunder, wenn man auf die Frauen pfeift.

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