Eine Annäherung, die beiden Seiten hilft
Die SPÖ trägt neuerdings die Coronapolitik der Regierung mit. Das ist kein Zufall.
WIEN. Damit hatte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, starker Mann in der SPÖ, wohl auch manchen Parteifreund überrascht. Etwa seinen eigenen Sozialstadtrat Peter Hacker, der noch in der Sonntags„Krone“gegen den türkisen Bundeskanzler und den grünen Gesundheitsminister vom Leder zog. Diese beiden machten „einen auf hysterisch“, wetterte der bekannt wortgewaltige rote Stadtrat und sprach sich deutlich gegen einen weiteren Lockdown aus.
Als dieses Interview erschien, stand Hackers Chef Michael Ludwig – ein in Zeiten der Pandemie noch nie gesehenes Bild – einträchtig neben Bundeskanzler und Gesundheitsminister im Kanzleramt und sprach sich in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Nachdruck für die Verlängerung des Lockdowns aus. Auch Ludwigs Kollege Peter Kaiser, roter Landeshauptmann von Kärnten, machte in der Öffentlichkeit Stimmung für die Entscheidung der Regierung, den Lockdown zu verlängern. Und auch Parteichefin Pamela Rendi-Wagner gab dem Lockdown (den sie bereits vor Tagen als unvermeidbar bezeichnet hatte) ihren Segen.
Die coronapolitische Annäherung der größten Oppositionspartei an die Bundesregierung (und umgekehrt) wurde lange vorbereitet. Intensivere Kontakte zwischen der Regierungsspitze und der SPÖ habe es, wie akribische Beobachter registrierten, seit dem Spätherbst gegeben. Bürgermeister Ludwig hatte unmittelbar nach seiner Wiederwahl im November einen Termin beim Kanzler. Mit der SPÖ-Chefin führte der Kanzler seit dem Herbst mehrere Telefongespräche, Anfang Jänner trafen die beiden auch persönlich zusammen. In die Verhandlungen über das Freitesten sei Rendi-Wagner eingebunden gewesen. Und mit LH Kaiser und ÖGB-Chef Wolfgang Katzian habe die Regierungsspitze ohnehin immer eine intakte Gesprächsbasis gehabt.
Das Tauwetter zwischen Regierung und SPÖ hilft beiden Seiten: Die Regierung sichert sich damit einen mächtigen Verbündeten und parlamentarischen Unterstützer im Kampf gegen Corona. Und die SPÖ kann sich als konstruktive und staatstragende potenzielle Regierungspartei in Erinnerung rufen. Alle in der SPÖ sind von diesem neuen Kurs noch nicht überzeugt. Teile der burgenländischen SPÖ machten in der Öffentlichkeit und im Parlament gegen das von der Bundes-SPÖ unterstützte Freitesten mobil. Dies mag mit dem Machtvakuum zu tun haben, das aufgrund der Erkrankung LH Doskozils in der SPÖ Burgenland herrscht.