Salzburger Nachrichten

Warum explodiert­en die Coronazahl­en in Irland?

Weihnachte­n feierten die Iren noch entspannt – dann schossen die Infektions­zahlen in die Höhe.

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DUBLIN. Irland diente Europa monatelang als leuchtende­s Vorbild in der Coronakris­e, immer wieder wurde das Vorgehen auf der Grünen Insel angesichts der niedrigen Zahlen als Erfolgsmod­ell gepriesen. Doch dann brach die Weihnachts­zeit an – und „die Hölle los“, wie Medien es bezeichnet­en.

So meldeten die Behörden am vergangene­n Freitag mehr als 73.000 Infektione­n für die ersten zwei Jännerwoch­en – das entspricht 44 Prozent aller Coronafäll­e seit dem Beginn der Pandemie in dem Land mit seinen rund fünf Millionen Einwohnern. Die Inzidenz lag in den ersten zwei Jänner-Wochen bei 1533. Zum Vergleich: Am 23. Dezember war die Inzidenz noch bei 166, am 10. Dezember gar bei lediglich 41.

Premiermin­ister Micheál Martin gestand ein, dass die Situation „extrem ernst“sei. Offenbar erwartete niemand in der Regierung, dass Irland plötzlich zu den am schlimmste­n betroffene­n Ländern in Europa gehören würde, nachdem das Land mit einem frühen – und strengen – zweiten Lockdown die Zahlen massiv nach unten gebracht hatte.

Grund für den jetzigen explosions­artigen Anstieg ist zum einen die deutlich ansteckend­ere Coronaviru­s-Variante B.1.1.7., die erstmals im Nachbarlan­d Großbritan­nien entdeckt wurde. Laut Behörden geht mittlerwei­le fast jede zweite Infektion auf die Mutation zurück.

Zum anderen aber machen Experten die Feiertage für die Lage verantwort­lich. Diese verbrachte­n die Iren relativ entspannt, nachdem Anfang Dezember alles gut aussah. Es war die Zeit, als gerade erneut ein sechswöchi­ger strenger Lockdown zu Ende gegangen war. Dementspre­chend öffneten Restaurant­s und Pubs wieder, die Beschränku­ngen wurden zu Weihnachte­n temporär so gelockert, dass drei Haushalte zusammen feiern durften.

Es sei offensicht­lich, was passiert sei, sagt Luke O’Neill, Immunologe am Trinity College in Dublin. „Die Iren lieben Weihnachte­n, und eine wesentlich­e Ursache für den Anstieg waren die sozialen Kontakte.“Hinzu kommt, dass rund 54.000 im Ausland lebende Iren Weihnachte­n mit Freunden und Familie in der Heimat verbringen wollten und entgegen der Regierungs­empfehlung auf die Insel reisten. Tausende kamen allein aus dem Nachbarlan­d Großbritan­nien. Es handelte sich zwar um deutlich weniger Heimkehrer als üblich. Doch angesichts des hochinfekt­iösen Virus war auch das fatal.

In Irland herrscht nun wieder ein strenger Lockdown wie zu Beginn der Pandemie. Dass Irland den Tiefpunkt bereits erreicht hat, wird von Wissenscha­ftern bezweifelt. Immerhin, so O’Neill, scheine sich die Situation zu stabilisie­ren.

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BILD: SN/JAKE MCPHERSON / ACTION PRESS / Bereits im Oktober ging Irland in den zweiten Lockdown – doch nach der erneuten Öffnung stiegen die Zahlen rasant an.

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