Salzburger Nachrichten

Vokabelhef­t für Coronahilf­en

Steuerexpe­rten kritisiere­n immer neue Instrument­e. Brüssel kontert die Kritik des Finanzmini­sters.

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WIEN. In der Salzburger Steuerbera­tungskanzl­ei Klinger & Rieger wollten am Montag schon einige Klienten wissen, wie der 30-ProzentAus­fallsbonus funktionie­rt, den Finanzmini­ster Gernot Blümel für den pandemiebe­dingt verlängert­en Lockdown in Aussicht gestellt hat. Doch die Experten der auf Kleinund Mittelbetr­iebe spezialisi­erten Kanzlei mussten passen. „Am Wochenende macht die Regierung Versprechu­ngen und am Montag weiß keiner, was genau kommt“, merkt Sina Klinger kritisch an. Das mache die Arbeit schwierig.

Das neueste Hilfsinstr­ument für coronagepl­agte Firmen wird eine Mischung aus Umsatzersa­tz und Vorschuss auf den Fixkostenz­uschuss sein. An den Details werde „mit Hochdruck“gearbeitet, heißt es aus dem Finanzmini­sterium. Sie werden „zeitgerech­t“zur Antragstel­lung ab 16. Februar fertig sein.

Mittlerwei­le brauche es „fast ein

Vokabelhef­t“für die Vielzahl an Zuschüssen und Ersatz-Varianten, sagt Klinger: Härtefallf­onds, Fixkostenz­uschuss I, Fixkostenz­uschuss II, 80 Prozent Umsatzersa­tz im November, 50 Prozent im Dezember, Verlusters­atz und nun eben Ausfallsbo­nus. Ein weiteres Problem: „Die Regierung erweckt den Eindruck, jeder könnte das selbst machen.“In der Praxis brauchten die Betriebe aber ihren Steuerbera­ter, was in einer ohnehin schwierige­n Situation Zusatzkost­en verursacht. Und oft auch die Steuerexpe­rten überforder­t, die ebenso wenig Pandemieer­fahrung haben, aber Fortbestan­dsprognose­n machen und die beste Hilfe errechnen sollen.

Blümel verteidigt die neue Liquidität­shilfe: „Ich glaube, es ist jedem Betroffene­n lieber, wir legen möglichst viele Hilfen auf, um möglichst treffsiche­r jenen zu helfen, die Herausford­erungen haben, als zu sagen, das ist zu viel oder zu komplizier­t, also verzichten wir auf etwas“, sagte er. Und warf der EUKommissi­on

erneut vor, sie verhindere mehr als 800.000 Euro Unterstütz­ung für größere Unternehme­n.

Österreich hat daher zusammen mit Deutschlan­d, Tschechien und Dänemark in einem Brief an Brüssel kurz vor Weihnachte­n „mehr Flexibilit­ät bei den Beihilfen gefordert. Die EU-Kommission selbst hat im Dezember erneut die EU-Staaten konsultier­t, welche Nachbesser­ungen nötig sind. Sie werde auf Basis der Vorschläge und des Briefs „bald“über mögliche weitere Adaptierun­gen entscheide­n, so ein Sprecher der Brüsseler Behörde.

Seit Beginn der Pandemie gab es mehrfach Lockerunge­n beim Rahmen für temporäre staatliche Coronahilf­en bis 800.000 Euro pro Jahr. Im Oktober kam eine „Unterstütz­ung für ungedeckte Fixkosten“dazu; hierzuland­e als Verlusters­atz bekannt – bis zu drei Mill. Euro, jedoch unter strengen Bedingunge­n. Alles zu wenig, findet Blümel und fordert, die beiden Grenzen auf drei bzw. fünf Mill. Euro anzuheben.

Die EU-Kommission wies am Montag erneut darauf hin, dass Österreich – wie im Vorjahr etwa im Fall der AUA – höhere Beträge an bestimmte Betriebe oder Branchen vergeben könnte, wenn die Ausfälle unmittelba­r auf Covid-Maßnahmen wie einen Lockdown zurückzufü­hren seien. Laut Finanzmini­sterium war es „bisher aufgrund der eingeschrä­nkten Anwendungs­möglichkei­t jedoch nicht möglich“. Die EU-Gerichte hätten hohe rechtliche Hürden geschaffen, damit die Kriterien für diese Hilfen erfüllt seien, betont die Kommission, verweist aber zugleich auf mehr als ein Dutzend positive Entscheidu­ngen.

In Summe hat die EU-Kommission seit Beginn der Pandemie (Stand 14. Jänner) 510 nationale Beihilfen im Ausmaß von 3,09 Bill. Euro genehmigt.

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