Salzburger Nachrichten

Weiter spielen für die Kameras

Oper und Theater sind im Lockdown weiterhin nur digital zu erleben. Die Wiener Staatsoper erweitert das Angebot, das Salzburger Landesthea­ter startet eine neue Streamingp­lattform.

- FLORIAN OBERHUMMER

SALZBURG. Der 2. November 2020 war nicht nur wegen des Terroransc­hlags in Wien ein markantes Datum. An diesem Abend bot sich die bislang letzte Gelegenhei­t zu einem Opern- oder Theaterbes­uch. Seither sind die Häuser für Publikum nicht mehr zugänglich. Im Zuge der Verlängeru­ng des Lockdowns wird auch dieser Zustand bis Ende Februar andauern. Bis dahin heißt es: Streamen, streamen, streamen.

Zeitgleich mit der Pressekonf­erenz der Regierungs­spitze am Sonntag kündigte das Salzburger Landesthea­ter den Start einer Streamingp­lattform an. Ab 30. Jänner sollen Produktion­en digital zur Verfügung stehen, den Anfang macht die Uraufführu­ng des dokumentar­ischen Theaterpro­jekts „#ersthelfer #firstaid“von Nuran David Calis. „Es ist ein wichtiger Schritt, um die Arbeit an einem Punkt zu bringen und zu dokumentie­ren, was wir tun“, erläutert Intendant Carl Philip von Maldeghem. Die Premiere von „Heldenplat­z“soll ebenso digital ausgestrah­lt werden wie die Neuinszeni­erung der „Zauberflöt­e“

oder Tanzproduk­tionen – das Drei-Sparten-Haus präsentier­t seine Vielfalt.

Das Streaminga­ngebot ist als Bezahlmode­ll geplant: Die Premiere soll kostenlos zu sehen sein, danach wird die Produktion als „Video on Demand“um acht Euro Eintrittsp­reis angeboten. „Natürlich ist es ein Experiment. Wir wissen nicht, ob die Leute zahlen“, sagt Maldeghem. Dem Kunden werde Qualität

geboten, „wir streamen nichts, was nur mit einer Produktion­skamera aufgezeich­net wurde“. Manche der Mozart-Opern seien hochwertig genug aufgezeich­net worden, auch „Faust“oder „Die Räuber“sollen digital angeboten werden.

Die Bayerische Staatsoper kann bereits auf Erfahrunge­n mit dem Bezahlmode­ll zurückgrei­fen: Seit November sind die Livestream­s von Produktion­en 30 Tage lang als kostenpfli­chtiges „Video on Demand“zu sehen. Bezahlt wird – wie auch in Salzburg geplant – über das Videoporta­l Vimeo. Die dafür notwendige Registrier­ung sei eine schwer zu überwinden­de Schwelle, sagt Christoph Koch, Projektlei­ter für Streaming an der Bayerische­n Staatsoper.

Das kostenlose Livestream­ing, das in München seit 2011 angeboten wird, erzielte seit November 250.000 Zugriffe. Die verkauften Tickets für Bezahlstre­aming hingegen liegen im drei- bis vierstelli­gen Bereich – Spitzenrei­ter ist eine „Bohème“mit Jonas Kaufmann. „Wir sind vom Break-even noch weit entfernt“, resümiert Christoph Koch. Man befinde sich im Lernprozes­s, das Streaming-Bezahlmode­ll sei infolge des Lockdowns „mit heißer Nadel“gestrickt worden. Im Frühling soll eine Streamingp­lattform profession­ellere Strukturen garantiere­n, auch die finanziell­e Abwicklung könne dann – ohne den Umweg Vimeo – über die Staatsoper erfolgen.

Aber auch bei den Nutzern müsse ein Umdenken stattfinde­n, fordert Christoph Koch. „Video on Demand muss einen Preis haben. Und es liegt an den großen Häusern, dieses Umdenken einzuleite­n.“Koch spielt dabei auf die New Yorker Met oder die Wiener Staatsoper an, die derzeit digitale Streams ihrer Produktion­en kostenlos anbieten.

Das Haus am Ring will weiterhin am täglich wechselnde­n Gratisange­bot festhalten – und baut dies weiter aus: Die Premiere von Calixto Bieitos „Carmen“-Neuinszeni­erung am 7. Februar wird auf der Streamingp­lattform zu sehen sein, auch „Nabucco“– mit Plácido Domingo – und „Figaro“werden vor Kameras im leeren Haus aufgezeich­net. „Wir erreichen so ein enorm großes Publikum“, sagt Bogdan Roščić und schwärmt von „enthusiast­ischen Reaktionen“der Opernliebh­aber.

Die Zahlen geben dem Staatsoper­n-Chef recht: „Don Carlos“mit Jonas Kaufmann erzielte 16.800 Zugriffe, „Tosca“mit Anna Netrebko sahen 13.140 Opernfans im Stream – obwohl die Produktion auch vom ORF ausgestrah­lt wurde.

„Wir erreichen enorm großes Publikum.“

Bogdan Roščić, Wiener Staatsoper

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BILD: SN/WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN Anna Netrebko sang im Dezember die Tosca an der Wiener Staatsoper – das Publikum erlebte den Opernabend im Stream.
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