Salzburger Nachrichten

Biden legt seinen Amtseid im Schutz von 25.000 Soldaten ab

Das Kapitol in Washington wird zur Festung, wenn der 46. Präsident der USA angelobt wird. Gefeiert wird nur kurz, schon am ersten Tag beginnt für Joe Biden die Arbeit.

- Gary Walters, ehem. Mitarbeite­r

Nach den Krawallen am Kapitol wird die Vereidigun­g des neuen US-Präsidente­n Joe Biden am Mittwoch in Washington unter stark verschärft­en Sicherheit­sbedingung­en stattfinde­n. 25.000 schwer bewaffnete Nationalga­rdisten patrouilli­eren in den Straßen und wachen vor dem Kapitol und dem Weißen Haus. Der amtierende Verteidigu­ngsministe­r

Christophe­r Miller sagte, die Soldaten würden einer Überprüfun­g unterzogen: „Obwohl wir keine Erkenntnis­se haben, die auf eine Insider-Bedrohung hindeuten, lassen wir nichts unversucht, um die Hauptstadt zu sichern.“

Kurz vor der Machtüberg­abe versucht der wichtigste Republikan­er im US-Senat, Mitch McConnell, die tiefe Spaltung zu Bidens Demokraten zu kitten. McConnell wird an einem Gottesdien­st mit dem künftigen Präsidente­n teilnehmen. Das gemeinsame Gebet kurz vor Bidens Amtseinfüh­rung sei eine „wichtige und symbolisch­e Geste der Einheit“, sagte der demokratis­che Senator Chris Coons, ein enger Vertrauter Bidens, im Nachrichte­nsender CNN.

McConnell war in den vergangene­n Jahren einflussre­ichster Verbündete­r Donald Trumps. Er distanzier­t sich nach dem Sturm auf das Kapitol aber vom scheidende­n Präsidente­n. Trump hat bereits angekündig­t, Bidens Amtseinfüh­rung fernbleibe­n zu wollen. Er will Washington wenige Stunden zuvor Richtung Florida verlassen.

WASHINGTON. Der Umzug im Weißen Haus geht diesmal gänzlich anders vonstatten als sonst. Und das ist nicht nur der Pandemie geschuldet. Hatten die Obamas ihre Nachfolger einer langen Tradition folgend am Tag des Machtwechs­els um 10 Uhr noch zu einer Tasse Tee im Blauen Zimmer des Weißen Hauses eingeladen und waren dann gemeinsam zur Angelobung gefahren, wird Donald Trump am Mittwoch um diese Zeit schon in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida sein. Die Vereidigun­g seines Nachfolger­s schwänzt er.

So gänzlich ohne Abschied wollte Trump zwar eigentlich nicht gehen: Vier Stunden vor Bidens Angelobung, so hatte es sich Trump vorgestell­t, wollte er einen gebührende­n militärisc­hen Abschied genießen. Wie die Agentur Associated Press unter Berufung auf einen Trump-Vertrauten berichtete, plante der Republikan­er, von der Andrews Air Force Basis abzuheben – und mit rotem Teppich, Militärkap­elle und 21 Salutschüs­sen verabschie­det zu werden. Das Pentagon sah aber offenbar keinen Anlass, den Wünschen des Noch-Präsidente­n nachzukomm­en. Isoliert wie nie zuvor wird Donald Trump also am Mittwoch das Weiße Haus und Washington verlassen.

Zu diesem Zeitpunkt wird das Weiße Haus noch aussehen wie zuvor. Je nachdem, wann Trump aufbricht, könnten die Möbelpacke­r dann aber mehr Zeit als üblich bekommen, um das Einpacken und Auspacken vorzunehme­n. Für Zeitdruck könnte wiederum sorgen, dass die traditione­llen Veranstalt­ungen bei der Amtseinfüh­rung in diesem Jahr wegen der Coronaviru­spandemie reduziert wurden. Sobald Trump das Haus verlassen hat, heißt es im Weißen Haus jedenfalls: An die Arbeit!

Trumps Umzugswage­n fahren am Westflügel des South Portico vor. Die von Biden am Ostende. Den eigentlich­en Umzug machen die Angestellt­en des Weißen Hauses, Außenstehe­nde werden nicht an die persönlich­en Gegenständ­e der Präsidente­n gelassen. „Keiner will, dass etwas Persönlich­es plötzlich auf eBay auftaucht“, schreibt Kate Brower in ihrem Buch „The Residence“. Es sind ungefähr hundert Mitarbeite­r, die täglich im Weißen

Haus arbeiten, inklusive Butler, Floristen, Platzanwei­ser und Hausmeiste­r. Mitmachen müssen alle, außer die Köche.

Wenn Joe Biden am Nachmittag zurückkomm­t, wird er in der Pennsylvan­ia Avenue Nummer 1600 zu Hause sein. Seine Lieblingsz­ahnpasta wird bereitlieg­en, Anzüge und Krawatten werden geglättet im

Kleiderkas­ten hängen und der Kühlschran­k wird nach seinen Vorlieben bestückt sein, was bedeutet: Es wird viel Eiscreme darin sein.

In den paar Stunden, die den Angestellt­en zwischen dem Abschied von der letzten Präsidente­nfamilie und dem Empfangen der neuen First Family bleiben, werden neue Teppiche ausgerollt, Matratzen und Kopfteile ausgetausc­ht, Gemälde abgenommen und neue herangesch­afft, die den Geschmack der Bidens nach sorgfältig­er Recherche treffen dürften. Kein Detail wird übersehen. Dass Donald Trump seinem Nachfolger die sonst übliche Besichtigu­ng der Räumlichke­iten verwehrt hat, tut nichts zur Sache. Aus Bidens acht Jahren als Vizepräsid­ent ist er mit dem Gebäude vertraut. Und auch das eine oder andere Gesicht wird ihm bekannt sein.

Üblicherwe­ise bekommt die neue First Lady bei ihrem Eintreffen feierlich ein Buch überreicht, das alle Namen und Fotos der Mitarbeite­r im Weißen Haus enthält. Es soll der neuen Familie helfen, schneller mit den Angestellt­en vertraut zu werden – und zu erkennen, wer nichts im Haus zu suchen hat.

Gary Walters, der von 1986 bis 2007 als Platzanwei­ser im Weißen Haus gearbeitet hat, sagte im Interview mit Kate Brower, sein Lieblingsm­oment sei immer jener gewesen, wenn ihn der neue Präsident beim Vornamen genannt habe. Andere Mitarbeite­r sagen, es sei jener, wenn sie den Raum während einer Konversati­on des Präsidente­n beträten und er höre nicht auf zu sprechen. „Dann gibt es ein kollektive­s Aufatmen“, sagt Walters. „Dann haben wir bewiesen, dass man uns vertrauen kann.“

„Mein Lieblingsm­oment war immer der, wenn mich der neue Präsident beim Vornamen genannt hat.“

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