Das Ende von Corona und die Keule des Kranichs
Nein, was hier jetzt folgt, ist kein Kochrezept. Es ist eine Hoffnung namens Decamerone.
Alles ist furchtbar, alles ist schrecklich und jeder fragt sich: Wie lange noch? Dazu hätten wir einen Vorschlag zu unterbreiten: zehn Tage. Wie wäre es mit zehn Tagen?
Das ist erstens eine überschaubare Zeitspanne. Und zweitens eröffnet es die Möglichkeit, noch rasch ein Corona-Decamerone zu schreiben, wie es Giovanni Boccaccio seinerzeit während der Pest tat. Sie erinnern sich: 1348 wütet in Florenz die Beulenpest. AstraZeneca lässt sich mit der Herstellung eines Impfstoffs Zeit, die Zehn-Tages-Inzidenz ist äußerst indezent und die noch gar nicht existierenden Intensivstationen sind überlastet.
Die Bevölkerung reagiert, wie Boccaccio schreibt, äußerst unterschiedlich auf die Heimsuchung: Die einen ziehen sich in ihr Haus zurück und führen dort ein einsames Leben (quasi Distance Living). Die anderen betäuben ihre Angst in Sang und Trunk und ziehen von einer Schenke in die nächste (klarer Fall von Pestleugnern). Die Dritten aber, und um die geht es in Boccaccios „Decamerone“, fliehen vor der Seuche auf ein sicheres Landgut.
Um sich dort die Zeit zu vertreiben, beschließen die zehn aus Florenz entflohenen Personen, einander Geschichten zu erzählen (die kurzweiligen Kurz-Anschober-Pressekonferenzen im Fernsehen samt launigen Kurvengrafiken gab es damals noch nicht). Jede der zehn Personen erzählte zehn Tage hindurch je eine Geschichte. Machte unterm Strich 100 Geschichten, und dann war die Pest vorbei. So weit unser Vorschlag für heute.
Was sich die Pestflüchtlinge damals erzählten? Nun, da ist zum Beispiel die Geschichte vom Koch, der für seinen Herrn einen Kranich zubereiten soll (das aß man damals offenbar noch). Als er den Vogel brät, kommt des Koches Freundin in die Küche und sagt, sie möchte unbedingt vom Kranich kosten, am liebsten einen Schenkel. Unmöglich, sagt der Koch, das ist alles für meinen Herrn! Doch schließlich gibt er ihrem Drängen nach und schneidet ihr eine Keule vom Kranich ab.
Als er abends den Vogel mit nur einem Schenkel serviert, ist der Herr empört und stellt den Koch zur Rede. Dieser rechtfertigt sich: Aber alle Kraniche haben nur ein Bein! Seht dort draußen auf der Wiese! Schnell zieht er seinen Herrn nach draußen, wo die Kraniche nach Kranich-Manier tatsächlich alle auf einem Bein stehen. Ho-ho, schreit da der Herr, woraufhin die Vögel erschrecken, sich mit beiden Beinen abstoßen und in die Lüfte erheben. Siehst du, sagt der Herr wütend. Doch der Koch antwortet listig: Tja, hättest du beim Kranich am Tisch ebenfalls Ho-ho gerufen, hätte er auch zwei Beine gehabt ...
In diesem Sinne: Ho-ho, jetzt sind es nur noch neun Tage Corona!