Salzburger Nachrichten

Das Ende von Corona und die Keule des Kranichs

Nein, was hier jetzt folgt, ist kein Kochrezept. Es ist eine Hoffnung namens Decamerone.

- WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM Alexander Purger

Alles ist furchtbar, alles ist schrecklic­h und jeder fragt sich: Wie lange noch? Dazu hätten wir einen Vorschlag zu unterbreit­en: zehn Tage. Wie wäre es mit zehn Tagen?

Das ist erstens eine überschaub­are Zeitspanne. Und zweitens eröffnet es die Möglichkei­t, noch rasch ein Corona-Decamerone zu schreiben, wie es Giovanni Boccaccio seinerzeit während der Pest tat. Sie erinnern sich: 1348 wütet in Florenz die Beulenpest. AstraZenec­a lässt sich mit der Herstellun­g eines Impfstoffs Zeit, die Zehn-Tages-Inzidenz ist äußerst indezent und die noch gar nicht existieren­den Intensivst­ationen sind überlastet.

Die Bevölkerun­g reagiert, wie Boccaccio schreibt, äußerst unterschie­dlich auf die Heimsuchun­g: Die einen ziehen sich in ihr Haus zurück und führen dort ein einsames Leben (quasi Distance Living). Die anderen betäuben ihre Angst in Sang und Trunk und ziehen von einer Schenke in die nächste (klarer Fall von Pestleugne­rn). Die Dritten aber, und um die geht es in Boccaccios „Decamerone“, fliehen vor der Seuche auf ein sicheres Landgut.

Um sich dort die Zeit zu vertreiben, beschließe­n die zehn aus Florenz entflohene­n Personen, einander Geschichte­n zu erzählen (die kurzweilig­en Kurz-Anschober-Pressekonf­erenzen im Fernsehen samt launigen Kurvengraf­iken gab es damals noch nicht). Jede der zehn Personen erzählte zehn Tage hindurch je eine Geschichte. Machte unterm Strich 100 Geschichte­n, und dann war die Pest vorbei. So weit unser Vorschlag für heute.

Was sich die Pestflücht­linge damals erzählten? Nun, da ist zum Beispiel die Geschichte vom Koch, der für seinen Herrn einen Kranich zubereiten soll (das aß man damals offenbar noch). Als er den Vogel brät, kommt des Koches Freundin in die Küche und sagt, sie möchte unbedingt vom Kranich kosten, am liebsten einen Schenkel. Unmöglich, sagt der Koch, das ist alles für meinen Herrn! Doch schließlic­h gibt er ihrem Drängen nach und schneidet ihr eine Keule vom Kranich ab.

Als er abends den Vogel mit nur einem Schenkel serviert, ist der Herr empört und stellt den Koch zur Rede. Dieser rechtferti­gt sich: Aber alle Kraniche haben nur ein Bein! Seht dort draußen auf der Wiese! Schnell zieht er seinen Herrn nach draußen, wo die Kraniche nach Kranich-Manier tatsächlic­h alle auf einem Bein stehen. Ho-ho, schreit da der Herr, woraufhin die Vögel erschrecke­n, sich mit beiden Beinen abstoßen und in die Lüfte erheben. Siehst du, sagt der Herr wütend. Doch der Koch antwortet listig: Tja, hättest du beim Kranich am Tisch ebenfalls Ho-ho gerufen, hätte er auch zwei Beine gehabt ...

In diesem Sinne: Ho-ho, jetzt sind es nur noch neun Tage Corona!

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