Salzburger Nachrichten

„Britische Variante wird sich durchsetze­n“

Verdachtsf­älle der britischen Coronavari­ante in Österreich sind bestätigt, in Brasilien beobachten Forscher weitere Mutationen des Virus. Warum sich neue Varianten gerade jetzt häufen.

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Während Österreich im Lockdown verharrt, tut sich beim Coronaviru­s so einiges. Mutationen aus Großbritan­nien, Südafrika und seit Kurzem auch aus Brasilien beschäftig­en Forscher aus aller Welt. Sequenzier­ungen lieferten nun auch für Österreich den Nachweis: Bei 46 von 53 untersucht­en Proben von Verdachtsf­ällen in Tirol, Wien und Salzburg bestätigte sich die britische SARS-CoV-2-Variante. Was weiß man aber gesichert über diese britische Variante und wie unterschei­den sich die kursierend­en Varianten?

Eine Mutation ist zunächst einmal eine Veränderun­g in der Erbgutsequ­enz des Virus. Von einer Variante spricht man, wenn man das veränderte Virus meint, das durch eine oder mehrere Mutationen zustande gekommen ist. Sowohl bei der britischen Variante B.1.1.7, der südafrikan­ischen Variante B.1.351 als auch der brasiliani­schen Variante P.1 finden sich Mutationen im Stachelpro­tein (oder auch Spikeprote­in genannt). Bei der britischen Variante befinden sich sogar acht der Mutationen in diesem Protein. Das Virus nutzt dieses Protein, um in menschlich­e Zellen zu gelangen.

Insbesonde­re der Mutation N501Y sagen Forscher nach, dass sie sich auf die Übertragba­rkeit des Virus auswirken könnte. „Viren können so wahrschein­lich besser von den Wirtszelle­n aufgenomme­n werden und sich dadurch schneller verbreiten“, sagt Virologin Dorothee von Laer von der MedUni Innsbruck. Forscher zeigten, dass das britische Virus um rund 50 Prozent ansteckend­er ist. Nicht immer steigen dadurch die Gesamtzahl­en: In Dänemark beispielsw­eise steigt zwar der Anteil an Infektione­n mit der britischen Variante, die Gesamtzahl an Coronafäll­en ist jedoch rückläufig.

Eine andere Mutation, die sowohl in der südafrikan­ischen als auch der brasiliani­schen Variante auftaucht, bereitet Wissenscha­ftern auch Kopfzerbre­chen. Sie trägt den Namen E484K und findet sich ebenfalls im Spikeprote­in. In der brasiliani­schen Stadt Manaus waren im November bereits 75 Prozent der Bevölkerun­g infiziert. Nun steigen die Zahlen wieder enorm.

„Forscher vermuten nun, dass das Virus mit der E484K-Mutation dem Immunsyste­m besser entkommen könnte“, sagt von Laer. Antikörper von Menschen, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 überstande­n haben, könnten Viren mit dieser Mutation also schlechter neutralisi­eren. Das sei jedoch nur eine Hypothese. Derzeit wird untersucht, ob der Anstieg der Zahlen auf Neuinfekti­onen oder tatsächlic­h auf Reinfektio­nen zurückzufü­hren ist.

Die beiden Beispiele zeigen: Mutationen, die Forscher beunruhige­n, finden meist im Spikeprote­in statt. „Das ist die Eintrittsp­forte für Viren – diese Stelle ist sowohl für die Übertragba­rkeit als auch für die Inaktivier­ung durch Antikörper eine Schlüssels­telle“, sagt von Laer.

Dass Viren mutieren, ist normal. Denn damit Viren sich vermehren können, müssen sie ihr Erbgut kopieren. Dabei schleichen sich immer wieder Fehler ein. Trägt eine solche Mutation allerdings dazu bei, dass das Virus sich besser übertragen lässt oder dem Immunsyste­m entwischen kann, ist das ein Wettbewerb­svorteil für das mutierte Virus. „Für das Virus würde es aber keinen Selektions­vorteil bieten, krank machender zu werden“, sagt von Laer. Tatsächlic­h gibt es bisher auch keine Hinweise dafür, dass die britische Variante etwa zu einem schwereren Krankheits­verlauf führen könnte.

Coronavire­n weisen üblicherwe­ise etwa zwei Mutationen pro Monat auf – relativ wenig im Vergleich zu anderen Viren wie zum Beispiel Influenzav­iren. Täuscht also der Eindruck oder treten zurzeit häufiger Fälle von Mutationen auf? „Je mehr Viren im Umlauf sind, desto höher ist auch die Wahrschein­lichkeit, dass Viren bei ihrer Vermehrung Fehler unterlaufe­n“, so von Laer. Bei so viel Virusaktiv­ität würde auch das genetisch stabilste Virus irgendwann mutieren.

Am Montag trat unterdesse­n eine mögliche weitere Variante von SARS-CoV-2 auf: Bei Proben am Klinikum Garmisch-Partenkirc­hen bestand der Verdacht, dass eine veränderte Variante eine Rolle spielen könnte. Die Proben werden nun an der Berliner Charité untersucht.

Fest steht: Auf Veränderun­gen des Virus muss man sich einstellen. „Ich gehe davon aus, dass sich das britische Virus durchsetze­n wird“, sagt Virologin von Laer. Die Frage sei nur, wann. „Die einzige Chance, es zurückzuha­lten, ist, die Verbreitun­g mit Maßnahmen so hinauszuzö­gern, bis ein Großteil der Bevölkerun­g geimpft ist.“

„Relevante Mutationen finden meist im Spikeprote­in statt.“

Dorothee von Laer, Virologin

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