Salzburger Nachrichten

Zwei erweiterte Suizide: Ehefrauen getötet

Psychologe ortet Anstieg des Gewaltpote­nzials im Lockdown: „Kein Ausweichen möglich“

- Trö

Ein 64-jähriger Oststeirer erschoss seine 61-jährige Ehefrau in der Küche der gemeinsame­n Wohnung und beging anschließe­nd Selbstmord. Ein 74Jähriger soll in Aschach an der Steyr mit einem Hammer auf Kopf und Oberkörper seiner 71jährigen im Bett liegenden Frau eingeschla­gen haben, um dann mit drei Küchenmess­ern unzählige Male auf die wahrschein­lich bereits Tote einzustech­en. Der Suizid kurz danach schlug fehl.

Diese zwei Bluttaten am Sonntag ließen viele Fragen offen. Dazu kam am Dienstag das Urteil gegen einen 89-jährigen Weinviertl­er, der im August 2020 seine 80-jährige Frau erstochen hatte. Er wurde in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her eingewiese­n.

Psychologe Holger Eich hat zwar auf die drei konkreten Fälle keine Antwort, doch bemerkt er seit Beginn der Pandemie – und da besonders in den Lockdown-Phasen – einen Anstieg des Gewaltpote­nzials innerhalb der gemeinscha­ftlichen Haushalte. „Allein die Möglichkei­t, ausweichen zu können, ist jetzt nicht da. Das erhöht die Konflikte. Dabei wäre in jenen Augenblick­en, wenn die Aggression überkocht, alles besser, als Nähe zu wahren. Darum heißt es ja auch: sich aus dem Weg gehen.“Tatsächlic­h sind traditione­lle Orte der Flucht, wie etwa das Gasthaus oder sonstige Lokalitäte­n, derzeit zugesperrt. „Man kann aber auch niemanden besuchen und sich ausspreche­n. Alles ist im Moment eingeschrä­nkt“, verweist Psychologe Eich auf die fehlenden Alternativ­en. „Alte Menschen sind da vielleicht noch ein bisschen gefährdete­r. Die schlagen nicht einfach die Tür zu und hauen ab, wie Jugendlich­e das tun. Dazu fehlt möglicherw­eise oft einfach auch die Mobilität.“

Der 74-jährige Mann in Aschach an der Steyr etwa gab nach seiner Festnahme an, er habe den Mord bereits wochenlang geplant gehabt. Als Motiv nannte er jahrelange­n Hass auf seine Frau sowie Streitigke­iten mit ihr.

Holger Eich: „Bei erweiterte­m Suizid höre ich schon öfter: Ich habe das Leben satt, aber ich muss sie oder ihn auch mitnehmen. So jemand will ein Zeichen setzen.“Und gerade in Pandemieze­iten gebe es wenige Ventile, meint der Psychologe. „Einige stellen sich sicher auch die Frage, ob sich das Leben überhaupt noch lohnt, wenn man etwa Enkelkinde­r nicht mehr umarmen darf. Oder sie zumindest sehen.“

Alte Menschen „noch ein bisschen gefährdete­r“

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