Lernen daheim: „Es wird immer mühsamer“
Viele Eltern und Kinder haben die Nase voll vom Fernunterricht. Vor allem auf Frauen lastet enormer Druck. Auch die Psyche der Kinder leidet.
SALZBURG-STADT. Mit der Verlängerung des Lockdowns bleiben auch die Schulen geschlossen. Erst nach den Semesterferien soll der Präsenzunterricht wieder starten. Auch für die Salzburger Familie Sterzl ist der Distanzunterricht eine Belastungsprobe. „Für die Kinder ist die Situation mittlerweile unerträglich, das Lernen wird immer mühsamer“, sagt Christina Sterzl. Ihre zwölfjährige Tochter Eva hatte sich schon darauf gefreut, ab 25. Jänner wieder in die Schule zu gehen. Das Mädchen besucht die dritte Klasse der Mittelschule Maxglan. Es sei schwierig, sie jeden Tag aufs Neue zum Lernen zu motivieren, schildert Sterzl.
Die Salzburgerin ist 20 Stunden in der Woche in der Pensionsversicherungsanstalt tätig und arbeitet immer wieder von zu Hause aus. Ihr Mann arbeitet in Vollzeit als Hausmeister und Haustischler. „Mein Glück ist, dass ich in Teilzeit arbeite und technikaffin bin, dadurch kann ich Eva beim Lernen unterstützen, das ist aber in vielen Familien nicht möglich.“In Fächern wie Mathematik und Physik brauche ihre Tochter Hilfe. Auch die Arbeitsaufträge in den Nebenfächern seien aufwendig. Ihren Arbeitstag beginnt Sterzl um 6 Uhr. Um 7.45 Uhr startet der Lerntag für Eva. Außer ihren Freundinnen vermisst die Schülerin die Bewegung. Sie schwimmt normalerweise drei Mal in der Woche und macht Karate.
Mehr als frustriert ist mittlerweile Sterzls Sohn Fabian. Er besucht eine der Maturaklassen in der HTL und lernt seit Oktober von zu Hause aus. Zwei Mal in der Woche konnte er zuletzt für den Unterricht in der Werkstatt und im Labor in die Schule. „Er sitzt meistens von der Früh bis zum
Abend vor dem PC“, schildert Sterzl. Mit dem Onlineunterricht und den Hausübungen komme er auf 55 Stunden in der Woche, dazu komme nun die Diplomarbeit. Wie alle Maturanten weiß Fabian nicht, wie die Matura heuer ablaufen wird. „Die Ungewissheit ist zermürbend“, sagt Sterzl. Zugleich laste auf den Maturanten der Druck, dass der gesamte Stoff für die Zentralmatura sitzen müsse. Jeder Zweite in der Klasse nehme online Nachhilfe. Es sei unmöglich, den seit Schulbeginn versäumten Stoff in kurzer Zeit in die Schüler hineinzustopfen. „Daher braucht es in den Schulen Mut zur Lücke“, fordert Sterzl.
Herausfordernde Monate haben auch Alleinerzieherin Kirsten Buchmann und ihre 14-jährige Tochter Zoe hinter sich. „Im ersten Lockdown waren wir total auf uns gestellt und sind aufeinandergeklebt – im Guten wie im Schlechten“, erzählt die selbstständige Übersetzerin. Sie hatte im Frühjahr mehr Aufträge als sonst und musste sich zugleich online auf eine Prüfung vorbereiten.
Ihre Tochter sei in einem Alter, in dem sich Jugendliche von der Mutter ablösten und unabhängig werden möchten. „Hängt man dauernd aufeinander, birgt das extremes Konfliktpotenzial, wir
waren im pandemischen Zickenkrieg.“Zugleich laste auf Frauen ein großer Erwartungsdruck. Es sei unmöglich, unter diesen Voraussetzungen die Familie, die Arbeit und den Haushalt unter einen Hut zu bekommen, zugleich die sozialen Kontakte zu ersetzen, Therapeutin zu sein und die Kinder zum Lernen zu animieren, sagt Buchmann. „Ich kenne viele Frauen, die an dieser Erwartungshaltung gescheitert sind, darüber wird aber nicht offen geredet.“Sie habe gelernt, die Ansprüche an sich und an ihre Tochter zu senken.
Enorm seien auch die psychischen Auswirkungen auf die Jugendlichen. „Es ist belastend, acht Stunden vor dem PC in einem Zimmer zu sitzen.“Weil sowohl Buchmann als auch Zoe am Ende des ersten Lockdowns „fix und fertig“waren, stand für beide fest, dass Zoe ab dem nächsten Lockdown zur Betreuung in die Schule gehen wird. „Ohne diese Notfallbetreuung hätten wir es nicht länger geschafft.“
„Meine Tochter und ich waren im pandemischen Zickenkrieg.“
Kirsten Buchmann, Alleinerzieherin