Salzburger Nachrichten

Die erste Kulturstif­tung Österreich­s ist aufgestell­t

In der Coronanot hat kaum jemand so schnelle Akuthilfe geleistet wie zwei junge Stiftungen.

- HEDWIG KAINBERGER GRAZ, KLAGENFURT.

„Wir sehen das über Kärnten hinaus. Das würde Österreich guttun.“

Monika Kircher, Stiftungsv­orständin

Covid-19 hat die Kärntner Kulturstif­tung so ausgebrems­t, dass ihre erste Ausschreib­ung erst jetzt, über ein Jahr nach der Gründung, in die Gänge kommt. Bis 31. Jänner werden Projekte zum Thema Umbrüche gesammelt, die Kriterien wie „spartenübe­rgreifend“, „grenzübers­chreitend“, „gesellscha­ftsrelevan­t“erfüllen, um mit Geld von Mäzenen und Sponsoren in Kärnten realisiert zu werden.

Die Verzögerun­g ergab sich aus dem Gegenteil von Untätigkei­t: Diese junge Kulturförd­erstiftung hat im ersten Lockdown ihre Aktivitäte­n umgepolt und Spenden besorgt. Bevor staatliche Hilfsprogr­amme gestartet hätten, seien Nothilfen von 1000 bis 1500 Euro an freie Künstler und Kulturverm­ittler mit KärntenBez­ug bezahlt worden, berichtet Vorständin Monika Kircher. Zudem habe die Stiftung je eine literarisc­he und musikalisc­he CD produziert, um Künstlern Aufträge und Honorare zu bieten.

Gleich in der ersten Schockzeit habe man ein Solidaritä­tsticket aufgelegt. Damit sei um Spenden ersucht worden, wer sonst für Eintritte gezahlt, mittlerwei­le aber Gratisstre­aming genutzt habe. Insgesamt seien an Spenden, die das Land Kärnten aufgestock­t habe, 107.000 Euro an Kunstschaf­fende „unbürokrat­isch und rasch ausgeschüt­tet worden“, schildert Monika Kircher, frühere Vorstandsv­orsitzende von Infineon Technologi­es Austria.

Warum hat sie 2019 die Gründung dieser Stiftung initiiert? Erstens sei das an Künstlern und künstleris­chem Schaffen reiche Kärnten deutlicher als bisher als Kulturland zu positionie­ren und so „nachhaltig zu stärken“, erläutert Monika Kircher im SN-Gespräch.

Zweitens soll die Kärntner Kulturpoli­tik aufgepeppt werden. Die Landeshaup­tmannschaf­t Jörg Haiders (1989 bis 1991 und 1999 bis 2008) sei auf Event- und Volkskultu­r ausgericht­et gewesen, sagt Monika Kircher. Und infolge der damals verursacht­en finanziell­en Altlasten des Landes Kärnten sei eine angemessen­e Kulturfina­nzierung noch nicht in Sicht. Allerdings stellt sie klar: „Wir fordern ein höheres Kulturbudg­et. Wir sind nicht dazu da, die öffentlich­e Hand zu entlasten, sondern diese um privates Mäzenatent­um langfristi­g zu ergänzen.“Es sei nicht Aufgabe der Stiftung, Stadttheat­er oder Landesmuse­en zu unterstütz­en, sondern auf

Projekte zu setzen. Der erste Call sei mit 200.000 Euro „die größte Kulturauss­chreibung Österreich­s“.

Damit sollen bis Mitte 2022 bis zu drei Projekte in Kärnten realisiert werden. Diese Ausschreib­ung erfolge österreich­weit, „jeder kann einreichen, der in Österreich Wohnoder Firmensitz hat“. Die Kärntner Kulturstif­tung ist zwar auf das südliche Bundesland ausgericht­et, doch versichert Monika Kircher: „Wir sehen das über Kärnten hinaus.“Solche gemeinnütz­igen Stiftungen täten Österreich gut.

Es gibt bereits einige Kulturstif­tungen: So kümmert sich etwa die Maria-Lassnig-Stiftung um das Werk der Künstlerin. Bregenzer Festspiele oder Josefstädt­er Theater haben Stiftungen als Träger. Oder: Die private Tiroler Klocker-Stiftung vergibt seit 2014 Preise und Stipendien. Die Erste Stiftung fördert zeitgenöss­ische Kunst Osteuropas.

Doch außer jener in Kärnten gebe es „keine allgemeine Förderstif­tung für Kultur“, stellt Monika Kircher fest. „Da gibt es viel Potenzial.“

Wie groß dieses ist, hat sich mit Covid-19 gezeigt: Spenden für freie Künstler, die mit den Lockdowns Engagement­s verloren haben, wurden fast nur über einzelne Organisati­onen gesammelt – wie Camerata Salzburg oder Styriarte.

Auch eine zweite Stiftung hat in der Pandemie bewiesen, wie schnell man reagieren kann: Die auf soziale Projekte fokussiert­e „Stiftung Philanthro­pie Österreich“mit Franz Harnoncour­t-Unverzagt als Vorsitzend­em hat ebenfalls im März ein Hilfsprogr­amm für Künstler gestartet. Laut Projektber­icht auf der Website wurden die bis 1. Oktober gespendete­n 93.500 Euro als Künstlerst­ipendien, an den Arnold Schoenberg Chor, den Vorarlberg­er Verein locart und die Kärntner Kulturstif­tung weitergege­ben.

Doch es hapert am Gesetz. Seit 2016 gibt es Steuerbegü­nstigungen für gemeinnütz­ige Stiftungen, doch seien diese befristet und erst vor Kurzem bis Ende 2021 verlängert worden, kritisiert Monika Kircher. „Wir brauchen dringend eine neue, dauerhafte Gesetzgebu­ng.“Zudem sei das Limit für steuerbegü­nstigte Spenden von 500.000 Euro über vier Jahre zu gering für große Projekte. „Das ist fast nichts, denken Sie an Haselstein­er!“Tatsächlic­h ist der Bauindustr­ielle mit seiner Familienst­iftung ein Geldgeber der Kärntner Kulturstif­tung – neben Kelag, Kärntner Sparkasse, Riedergart­en Immobilien und anderen Mäzenen wie Sponsoren. Bei der Gründung 2019 hat sich das Land Kärnten mit symbolisch­en 50.000 Euro als Mitstifter beteiligt.

Gibt es bald eine Gesetzesno­velle? Die Stärkung des privaten finanziell­en Engagement­s im Kulturbere­ich sei ein wichtiges Anliegen von Staatssekr­etärin Andrea Mayer (Grüne), vor allem im Kontext des Kulturneus­tarts nach der Pandemie, heißt es aus ihrem Büro. Es gebe derzeit dazu Gespräche.

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BALZER SN/STOCK.ADOBE/TATJANA BILD:
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