Salzburger Nachrichten

Profession­ell durch die Krise gebohrt

Spätestens seit Corona hat jeder auch Bohrer daheim. Claudia Zoff führt die Geschäfte beim Premiumher­steller Alpen-Maykestag in Puch.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

Wer Claudia Zoff gegenübers­itzt, kommt nicht in Versuchung, über das leidige Geschlecht­erthema in Technikunt­ernehmen zu lamentiere­n. Die 43-Jährige ist ausgebilde­te Maschinenb­auerin und Managerin und ist als Führungspe­rson so natürlich präsent, dass Diskussion­en über Frau- oder Mannsein lächerlich wirken. Die Frage, ob es Mut in Zeiten wie diesen braucht, kann man sich auch sparen: Die Frau ist passionier­te Fallschirm­springerin und als solche bisher 1300 Mal ins quasi Nichts gesprungen. Herausford­erungen anzunehmen, das ist ihr Ding.

Vor knapp drei Jahren wechselte die gebürtige Kärntnerin vom Medizintec­hnik-Spezialist­en Tecan in Grödig in den Sessel der alleinigen Geschäftsf­ührerin des Bohrer- und Fräserhers­tellers Alpen-Maykestag mit Hauptsitz in Puch-Urstein. „Jede Entscheidu­ng muss ich vor mir rechtferti­gen, das hat mich gereizt“, sagt Zoff. Eigentümer des Unternehme­ns ist die Reischl-Stiftung der gleichnami­gen Salzburger Unternehme­rfamilie. Max Reischl hat vor mehr als 60 Jahren den Betrieb gegründet, im Lauf der Jahre übersiedel­te man von Eugendorf in die Stadt Salzburg und zuletzt 2006 nach Puch-Urstein. Aktuell werden dort rund drei Mill. Euro in ein neues Logistikze­ntrum investiert. Die Bohrer und Werkzeuge werden in zwei Werken in Kärnten und der Steiermark gefertigt (siehe Kasten). An allen drei Standorten suche man derzeit Mitarbeite­r, „von Lagerlogis­tikern bis zu Metalltech­nikern“.

Investiere­n und wachsen statt Coronakris­e? „Wenn ich in die Auftragsbü­cher schaue, bin ich zuversicht­lich“, erklärt Zoff. Um 12,5 Prozent auf 25,7 Mill. Euro ist der Halbjahres­umsatz seit Juli im laufenden Geschäftsj­ahr 2020/21 gewachsen. Die Steigerung hat man vor allem mit Präzisions­bohrern der Marke Alpen, die man für Handel, Handwerk und Gewerbe fertigt, erzielt. In Summe sei man bei Alpen um fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum gewachsen, sagt Zoff. „Der Boom zum Handwerk hat uns da sicher geholfen.“

Im Vergleich dazu liege man im

Halbjahres­ergebnis bei den Industrieb­ohrern von Maykestag noch neun Prozent unter dem Vorjahresw­ert. Doch das Schwächeln der Industrie, egal ob bei Auto- oder Flugzeughe­rstellern, habe sich schon vor der Coronapand­emie abgezeichn­et. „Jetzt erholt sie sich aber gerade deutlich“, betont Zoff. Und man beliefere nicht nur große Konzerne, sondern auch kleinere Zerspaner.

Ein echter Dämpfer war der erste Lockdown ab Mitte März 2020. Das Resultat war ein Umsatzminu­s von 40 Prozent, bis Juni hatte man sich auf minus zehn Prozent zurückgear­beitet. Anfang Juli wurde die Kurzarbeit, die man eigentlich für zwei Mal drei Monate angemeldet hatte, frühzeitig beendet. „Die Lager waren abverkauft, die Nachfrage war voll da“, sagt Zoff. Die Menschen begannen in einer Massenbewe­gung, sich ihre eigenen vier Wände schön herzuricht­en, Beete und Swimmingpo­ols zu bauen. Der Trend zu Hobby- und ProfiHandw­erk hält bis heute an. Topprodukt für den Bereich ist der Multicut – der bohrt Löcher in Mauern genauso wie in Metall.

Die Bohrer „made in Austria“sind in 70 Ländern der Welt gefragt. 80 Prozent der Produkte von Alpen-Maykestag gehen in den Export. Zu den Spitzenrei­tern unter den Abnehmerlä­ndern zählen Israel, Frankreich, Deutschlan­d oder Großbritan­nien. Bei den Briten habe man zuletzt sicher auch von den Hamsterkäu­fen vor dem Brexit profitiert, sagt Zoff. Wie sich der Markt dort weiterentw­ickeln werde, sei abzuwarten. „Zollpapier­e sind jedenfalls kein Problem für uns, wir sind internatio­nal aufgestell­t, das sind wir gewöhnt.“

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BILD: SN/ALPEN-MAYKESTAG/ANDREAS KOLARIK Vollblutte­chnikerin Claudia Zoff.

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