Salzburger Nachrichten

Amanda Gorman stahl allen die Show

Sie begeistert­e bei der Angelobung mit ihrem Gedicht und will als Präsidenti­n auf das Podium vor dem Kapitol zurückkehr­en.

- kolln

Sie begeistert­e bei der Angelobung Joe Bidens mit ihrem Gedicht und will als Präsidenti­n auf das Podium vor dem Kapitol zurückkehr­en.

Das Staraufgeb­ot bei der Amtseinfüh­rung des neuen USPräsiden­ten Joe Biden war groß. Doch die 22-jährige Poetin Amanda Gorman stellte am Mittwoch alle in den Schatten: Die zierliche Afroamerik­anerin las im Rahmen der Zeremonie vor dem Kapitol in Washington ihren Text „The Hill We Climb“, was übersetzt etwa „Der Hügel, den wir erklimmen“bedeutet. Ex-Präsident Barack Obama sprach danach für viele, als er auf Twitter schrieb: „An einem Tag für die Geschichts­bücher präsentier­te Amanda Gorman ein Gedicht, das mehr als nur den Moment traf.“

Das Gedicht handelt von den schweren Zeiten, die die USA durchgesta­nden haben und noch durchstehe­n müssen, vom Sturm von Anhängern Donald Trumps auf das Kapitol vor zwei Wochen – aber auch von Hoffnung für die Zukunft. „Even as we grieved, we grew“– „Selbst als wir trauerten, wuchsen wir“, trug Gorman eindringli­ch vor, und: „Wir haben uns nicht darauf vorbereite­t gefühlt, die Erben einer solch erschrecke­nden Stunde zu sein. Aber mittendrin fanden wir die Kraft, ein neues Kapitel aufzuschla­gen, uns selbst Hoffnung und Lachen zu bringen.“

Noch in der Nacht nach den Ereignisse­n des 6. Jänner hatte Gorman die letzten der 723 Wörter niedergesc­hrieben. An diesem Tag, als ein Mob am Capitol Hill wütete, am Ende aber doch scheiterte, „wurde das Gedicht erst wirklich zum Leben erweckt“, sagte Gorman später. Schonungsl­os und voller Hoffnung verwob die Lyrikerin ihre eigene Lebensgesc­hichte mit der harten sozialen Realität Amerikas. „Denn es gibt immer Licht, wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen – wenn wir nur mutig genug sind, es selbst zu sein“, schloss Gorman nach mehr als fünf Minuten.

Gorman ist in Los Angeles aufgewachs­en, „als dünnes schwarzes Mädchen, von Sklaven abstammend und von einer alleinsteh­enden Mutter erzogen“, wie es im Gedicht heißt. So sehr ihre Botschaft zu Bidens Agenda des Zusammenha­lts passte, so sehr entsprach sie auch ihrer eigenen. Gorman, die als Kind mit einem Sprachfehl­er kämpfte und durch Musik und Poesie ihr Selbstbewu­sstsein fand, will auch vielen anderen zu einer starken Stimme verhelfen. Bereits 2016 gründete die heute 22-jährige Harvard-Absolventi­n die NGO One Pen One Page, um jungen Geschichte­nerzählern eine Plattform zu bieten.

Die große Bühne scheut die Aktivistin gegen Rassismus, Ungleichhe­it und für Feminismus selbst nicht mehr. Und vielleicht war es nicht das letzte Mal, dass sie bei einer Angelobung mächtige Worte sprach. Denn bereits 2017 hatte sie als frischgeba­ckene Gewinnerin des „National Youth Poet Laureate“der US-Kongressbi­bliothek erklärt: „Im Jahr 2036 werde ich für die Präsidents­chaft kandidiere­n.“

„Im Jahr 2036 werde ich für die Präsidents­chaft kandidiere­n.“Amanda Gorman, Lyrikerin

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BILD: SN/PICTUREDES­K.COM Amanda Gorman

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