Biden macht sich an die Arbeit
Zum Amtsantritt wollte es der neue US-Präsident nicht bei seinem Aufruf zur Versöhnung belassen. Er schritt zur Tat.
Auf dem Schreibtisch türmen sich dunkelblaue Mappen mit unterschriftsreifen Anordnungen. Hinter dem 78-Jährigen sind im Oval Office, dem Büro des US-Präsidenten, prominent Familienfotos und eine Aufnahme des gläubigen Katholiken mit Papst Franziskus zu sehen. „Ich dachte, es gibt keine Zeit zu warten: gleich mit der Arbeit anfangen“, sagt der neue Präsident Joe Biden, kaum zwei Stunden sind da seit seiner Ankunft im Weißen Haus vergangen. Nachdem er in einem Schwung Entscheidungen seines Vorgängers Donald Trump rückgängig gemacht hat, will Biden das Tempo auch in den kommenden Tagen nicht drosseln.
„Wir werden unsere Bündnisse reparieren und mit der Welt zusammenarbeiten“, versprach Biden in seiner Antrittsrede vor dem US-Kapitol am Mittwoch. Kurz danach unternahm er die ersten Schritte dafür: Er leitete die Rückkehr in das Klimaabkommen von Paris ein. Die USA waren Anfang November offiziell ausgeschieden – ein Jahr nachdem Trumps Regierung den Austritt aus dem historischen Abkommen erklärt hatte. Nach Angaben der UNO sind die USA ab 19. Februar wieder Teil des Vertrags. Biden will Amerika eigenen Aussagen zufolge zu einer führenden Nation beim Kampf gegen die Erderwärmung machen. Biden schlug am Mittwoch zudem die Pflöcke für eine Abkehr von Donald Trumps rigorosem Anti-Migrations-Kurs ein. Er hob das vom Ex-Präsidenten verfügte Einreiseverbot für Menschen aus mehreren überwiegend muslimisch geprägten Ländern auf, das Trump eine Woche nach seinem Amtsantritt 2017 erlassen hatte.
Zudem schickte er einen Gesetzesentwurf an den US-Kongress. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis in den Vereinigten Staaten die Chance auf einen Aufenthaltstitel bekommen sollen – und auf lange Sicht auch auf die USStaatsbürgerschaft.
„Während der Trump-Regierung haben wir die Aufgabe unserer amerikanischen Werte mit Blick auf die Einwanderung gesehen“, sagte die Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses, Kate Bedingfield, am Donnerstag dem Sender CNN. Biden werde für Menschlichkeit sorgen.
Der neue Präsident wies das Heimatschutzministerium an, Schritte in die Wege zu leiten, die auf die dauerhafte Sicherung eines Programms zum Schutz von rund 700.000 jungen Migranten vor einer Abschiebung abzielen. Biden entzog zudem einem Herzensprojekt Trumps die Finanzierungsgrundlage: dem Mauerbau an der Grenze zu Mexiko.
Schon in den ersten Stunden seiner Amtszeit wurde klar, dass mit Joe Biden ein neuer Ton ins Weiße Haus einkehrt. Biden trat sein Amt mit einem Aufruf zu Einheit und Versöhnung an – was ebenfalls im Kontrast zu seinem Vorgänger steht. „Ich werde ein Präsident für alle Amerikaner sein“, versprach Biden vor dem hochgesicherten US-Kapitol, das zwei Wochen zuvor von gewalttätigen Anhängern Trumps erstürmt worden war. Biden sagte, er werde genauso für diejenigen kämpfen, die ihn bei der Wahl nicht unterstützt hätten, wie für jene, die dies getan hätten.
Widerspruch von seinen Mitarbeitern duldete Trump kaum – erst recht nicht öffentlich. Auch hier wirbt Biden für ein neues Miteinander. Bei der Vereidigung von Hunderten Mitarbeitern räumte er ein, dass auch er Fehler machen werde, und bat sein Team, ihn zu korrigieren, wenn nötig.
Von seinen Mitarbeitern verlangte Biden, dass sie sich ihrer Verpflichtung gegenüber dem Volk bewusst sein müssten, und er mahnte einen respektvollen Umgang miteinander ein. „Wenn Sie jemals mit mir arbeiten und ich höre, dass Sie einen anderen Kollegen respektlos behandeln, jemanden runtermachen, verspreche ich Ihnen, dass ich Sie auf der Stelle feuern werde“, sagte Biden.