Blindflug durch Sturmwolken
Die Coronakrise hat die internationale Luftfahrt teils um Jahrzehnte zurückgeworfen. Nicht alle werden die Krise überleben. Aber die Entscheidungen für die Zukunft fallen jetzt.
WIEN. Das Coronavirus hält die Luftfahrt fest im Griff. Reisebeschränkungen, verschärfte Lockdowns, verpflichtende Coronatests und Quarantäne – die Vorzeichen für Flugreisen sind alles andere als günstig. Entsprechend angeschlagen sind Airlines und Flughäfen.
Die größten Reisen finden derzeit offenbar auf der Zeitachse statt. „Das Virus hat uns ins Jahr 1994 zurückkatapultiert“, sagt Julian Jäger, Vorstand des Flughafens Wien. Mit 7,8 Millionen im Coronajahr 2020 ist die Zahl der Passagiere am größten Airport des Landes auf ein Viertel von 2019 abgestürzt. Das Ergebnis wird erstmals negativ sein, der Verlust dürfte sich auf minus 70 Millionen Euro belaufen.
Dabei hatte das Jahr optimal begonnen. Nach Höchstwerten im Jänner und Februar hatte man mit einem Rekordergebnis von 34 Millionen gerechnet, sagt Jäger. „Dann kam das Virus und hat uns um Jahrzehnte zurückgeworfen.“
Der Flughafen Wien ist kein Einzelfall. Andere sind teilweise noch schlimmer betroffen. Etwa der Flughafen Salzburg, der besonders stark von Touristen abhängig ist und für den die Wintersaison voraussichtlich komplett ausfällt, wie Geschäftsführerin Bettina Ganghofer befürchtet. Für sie ist „schon jetzt klar, dass 2021 für den Flughafen noch schwieriger und herausfordernder wird als das Jahr 2020“.
Viele Airlines kämpfen ums Überleben und sehen sich zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen. Der Billigflieger Norwegian hat wegen eines Umstrukturierungsverfahrens Gläubigerschutz beantragt. Die niederländische KLM streicht Tausende Stellen und legt aus Kostengründen ihr komplettes Langstreckennetz still.
Die Austrian Airlines (AUA) und ihre Mutter Lufthansa fliegen aktuell nur mit 15 Prozent ihrer Kapazitäten. Sie können sich – wie viele andere – vorerst nur dank großzügiger staatlicher Unterstützung in der Luft halten. Die Lufthansa erhielt 9 Mrd. Euro, die AUA 600 Millionen.
Der verschärfte Lockdown machte der AUA einen Strich durch die Rechnung. Jetzt hofft man auf ein schrittweises Hochfahren ab Ostern. Entscheidend werde der Sommer, wo man ein Niveau von 60 bis 70 Prozent des Niveaus vor Corona anstrebt. Und wenn auch der Sommer ausfällt? „Dann wird es schwierig“, heißt es. AUA-Chef Alexis von Hoensbroech erklärte kürzlich, er rechne mit einer Abschwächung der Krise und dem Fortbestand des Unternehmens. Aber er könne nicht ausschließen, dass man auch gezwungen sein könnte, „notfalls andere Wege gehen zu müssen“. Vergleichsweise stabil hält sich nach Eigenangaben der Billigflieger Wizz Air, auch er hat das Programm auf 15 Prozent zurückgestutzt.
Eine gewisse Normalisierung könnten verpflichtende Impfungen und ein elektronischer Nachweis dafür bringen. Ein Impfcheck könnte beim Fliegen ebenso Alltag werden wie Passkontrollen am Flughafen, sagt Flughafen-Vorstand Günther Ofner.
Für etliche kommt diese Hoffnung zu spät. Rund um den Globus häufen sich die Meldungen über Airline-Pleiten. Schon im Juni 2020 schickte British Airways ihre Wiener Tochter Level in die Insolvenz. Getroffen hat es unter anderem Avianca, die zweitgrößte Fluglinie Lateinamerikas, Montenegro Airlines oder die britische Flybe.
Die lange vorhergesagte Konsolidierung der Branche ist eingetreten. Luftfahrtexperte Kurt Hofmann spricht von einer „Zäsur“. Angesichts hoher Schulden werde es lange dauern, bis die Krise überwunden sei. Dass sie ein Ende der Billigflieger bedeuten könnte, erwartet Hofmann nicht. Im Gegenteil. „Billigfluglinien werden als erste wieder durchstarten, weil sie keine teuren Drehkreuze betreiben.“
„Impfcheck so normal wie Passkontrolle.“
Günther Ofner, Flughafen Wien