Suche nach neuer Nummer eins
Die Hierarchie im Abfahrtssport ist vor der 500. Weltcupabfahrt in Unordnung gekommen: Das Doppel von Kitzbühel wird zeigen, ob das ein Umbruch ist – oder das Imperium zurückschlägt.
KITZBÜHEL. Für gewöhnlich wäre es ein Festakt, diesmal geht sogar das Jubiläum unter: Die 500. HerrenAbfahrt der Weltcupgeschichte steht am heutigen Freitag auf der Streif (als Ersatz für das Lauberhornrennen) an. Kaum eine alpine Disziplin war über die Jahrzehnte so von einzelnen Dominatoren geprägt wie die Abfahrt: Killy, Klammer, Heinzer, Alphand, Maier, Eberharter, Cuche – jede Zeit hatte ihren Seriensieger.
Zuletzt gewann der Schweizer Beat Feuz drei Mal hintereinander den Abfahrts-Weltcup, doch heuer ist auch das anders: Die Routiniers ließen bisher aus, die Seriensieger fehlen. Feuz hat bisher einen dritten Platz (Gröden) als beste Ausbeute zu Buche stehen und liegt hinter seinem Landsmann Urs Kryenbühl. Der aktuell Führende in der Abfahrtswertung, Aleksander Aamodt Kilde, fällt wegen Kreuzbandriss aus, Dominik Paris fehlen nach seiner Verletzung die Abfahrtskilometer
und bei Kjetil Jansrud rätseln nicht nur die Norweger, warum es bei einem der drei verbliebenen Läufer, die in Kitzbühel sowohl Abfahrt als auch Super G gewonnen haben (die anderen sind Mayer und Paris), so gar nicht läuft.
Lediglich Matthias Mayer und Vincent Kriechmayr erwehrten sich bisher mit dem Doppelsieg in Bormio des Ansturms der Underdogs, der von dem US-Amerikaner Ryan Cochran-Siegle angeführt wird. Der ist mit 28 Jahren jetzt auch kein Jungspund mehr, aber bei ihm ging heuer endlich der Knoten auf – mit Sieg im Super G von Bormio und Rang zwei in der Abfahrt von Gröden. Das blieb nicht unentdeckt, er hat nun seit der HahnenkammWoche
auch einen Helmsponsor.
Doch ab dem heutigen Freitag (11.30/live ORF 1) könnte sich die Hierarchie im Abfahrtssport sehr schnell wieder drehen: Feuz, Paris, Mayer und Kriechmayr sind die meistgenannten Fahrer, wenn es um die Suche nach der neuen Nummer eins im Abfahrtssport geht.
Kriechmayr hat sich das allerdings auch selbst zuzuschreiben: Der Oberösterreicher zauberte im donnerstägigen Training schon eine Bestzeit auf die Streif, die es in sich hatte. Er selbst reagierte richtig verärgert darauf. „Eines wollte ich heute nicht, nämlich eine Trainings-Bestzeit. Jetzt kann ich mir wieder die ganzen blöden Fragen nach der Favoritenrolle anhören.“Doch der Oberösterreicher fuhr vor allem die oberen drei Teilabschnitte in einer Linie, die als Ideallinie für die abendliche Video-Aufzeichnung gelten darf. Das erinnert fast ein bisschen an den legendären Bode Miller: Der zertrümmerte im Training in Kitzbühel regelmäßig die Konkurrenz, gewann aber nie die legendärste aller Abfahrten – wohl aus dem Grund, weil er vorzeitig die Karten offen gelegt hat. „Aber ich bin so lang dabei, dass ich weiß, dass es im Rennen und nicht im Training zählt. Egal, ob ich heute Erster oder 50. geworden wäre“, relativierte Kriechmayr.
Was von den weiteren Top-Fahrern zu erwarten ist, das ist ein bisschen die Frage. Dominik Paris war eigentlich der Herrscher auf der Streif, doch ihm fehlen die Rennen und die Trainings in diesem Winter. Der Ausfall der Lauberhornrennen war für ihn nicht förderlich. „Mir fehlt nicht die Form, mir fehlt die Selbstverständlichkeit im Rennen“, meinte er vor dem Abfahrtsdoppel. Und dann wäre da noch Beat Feuz: Der Schweizer „Kugelblitz“kam in diesem Winter noch nicht richtig auf Touren, doch das beunruhigt ihn nicht. „Die bisherigen Rennen waren ziemlich außergewöhnlich und die Bedingungen nicht auf mich zugeschnitten. Das dürfte sich jetzt in Kitzbühel ändern. “Na dann.
„Bisher schwierige Bedingungen.“