„Ich bitte alle um Verzeihung“
Die Zahl der Bürgermeister, die sich beim Impfen vordrängten, wächst. Obwohl es der Kanzler forderte, wird dies ohne Folgen bleiben. Der Feldkircher Ortschef entschuldigt sich als Erster.
Das Vordrängeln bei der Impfung wird für die Bürgermeister wohl keine Konsequenzen haben. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatten dies zwar gefordert, in den Bundesländern ist die Begeisterung darüber aber enden wollend. Wohl auch, weil die Liste der „Vordrängler-Bürgermeister“ständig länger wird. In Salzburg sollen es elf Bürgermeister sein, die sich impfen ließen, einer, der dazu auch öffentlich steht, ist Gerhard Steinbauer (ÖVP), der Ortschef von Bad Gastein (siehe Lokalteil). Auch der Bürgermeister der steirischen Gemeinde Bruck an der Mur, Peter Koch (SPÖ), hat sich bereits impfen lassen, ebenso die Lienzer Bürgermeisterin und ehemalige Tiroler SPÖ-Landesparteivorsitzende Elisabeth Blanik.
In Oberösterreich werden die Landesparteichefs von ÖVP und SPÖ Bürgermeister, die sich beim Impfen vorgeschwindelt haben, jedenfalls nicht zum Rücktritt drängen. Dort waren sich drei Ortschefs von der SPÖ und einer von der ÖVP selbst am nächsten. „Ein Rücktritt wäre überschießend. Eine Entschuldigung aber sehr wohl angebracht, dass sie die Situation völlig falsch eingeschätzt haben“, war aus dem Büro von SPÖ-Landeschefin Birgit Gerstorfer zu hören. Die Bürgermeister müssten ihre Rücksichtslosigkeit mit dem eigenen Gewissen vereinbaren.
In Eberschwang, wo neben dem Bürgermeister auch die beiden Vizes geimpft wurden, gibt es dennoch Konsequenzen – und zwar seitens der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis. Die Behörde ist Dienstgeberin des Sozialhilfeverbands, der das Pflegeheim Eberschwang betreibt. Laut Aussendung verlässt die für die Impfreihenfolge zuständige Heimleiterin „auf eigenen Wunsch“die Einrichtung. Dass auch ein Bediensteter offiziell abgemahnt wurde, wollte Bezirkshauptfrau Yvonne Weidenholzer aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bestätigen.
Ähnliches hört man aus Vorarlberg. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) habe mit den „beiden betroffenen Ortschefs ein ernstes Wort geredet“, heißt es aus seinem Büro. Damit sei die Sache vorerst erledigt und man gehe davon aus, dass es zu keinen weiteren Fällen komme.
In Tirol klingt es vergleichbar. Es gebe klare Vorgaben und die seien einzuhalten. „Wenn Impfdosen in den Alten- und Pflegeheimen übrig bleiben, müssen sie all jenen Personen gegeben werden, die sie am dringendsten benötigen. Und das sind: alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und Gesundheitspersonal – sonst niemand.“
Der Feldkircher Bürgermeister Wolfgang Matt (ÖVP), dessen Impfung als eine der ersten bekannt wurde, hat sich inzwischen bei der Bevölkerung entschuldigt. Im ORF sagte er, ihm sei die Tragweite seiner Entscheidung, die übrig gebliebene Impfdosis anzunehmen, in diesem Moment nicht bewusst gewesen: „Im Nachhinein betrachtet, war mein Handeln unüberlegt und ich würde heute in derselben Situation anders handeln“, so der Bürgermeister.
Wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz Konsequenzen für die Bürgermeister verlangt, muss man fragen: Auf welcher rechtlichen Basis? Der Bund hat zwar eine Impfstrategie vorgegeben, er hat aber darauf vergessen, Sanktionen zu verhängen, sollte gegen die Prioritätenliste verstoßen werden. Das Gesundheitsministerium müsste sohin ein Gesetz oder eine Verordnung erlassen, die eine Verwaltungsstrafe für Impfvordrängler vorsieht. Anders ist das, wenn ein Amtsarzt für eine Ampulle eine kleine Spende entgegennimmt oder ein Bürgermeister eine geldwerte Gegenleistung in Aussicht stellt. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte.
Neben dem Vorwurf, unsensibel, unmoralisch und egozentriert zu sein, könnte auf die Bürgermeister noch zivilrechtliches Ungemach zukommen: dann nämlich, wenn ein Heimbewohner oder ein Bediensteter, der Anspruch auf die Immunisierung gehabt hätte, wegen der Vorreihung eines Bürgermeisters kein Serum erhielt. Und diese Person schwer an Corona erkrankt, bleibende Schäden davonträgt oder gar stirbt. In diesem Fall könnten Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden.
Der Präsident des österreichischen Gemeindebunds, Alfred Riedl, hadert mit der aktuellen Debatte. „Natürlich habe ich für jene, die sich einfach vordrängen, überhaupt kein Verständnis.“Dennoch kritisiert Riedl ein generelles Bürgermeister-Bashing: „Ich würde mir mehr Differenzierung wünschen. Weil es auch eine zweite Ebene gibt.“Viele Kommunen seien gleichzeitig auch Träger der ansässigen Alten- und Pflegeheime. Es gebe eben auch Bürgermeister, die ihr soziales Engagement sehr ernst nähmen. Was der Gemeindebundpräsident damit sagen will: „Ich bin als Bürgermeister von Grafenwörth auch Obmann des ehrenamtlichen Besucherteams. Und ich stand ebenfalls auf einer Impfliste. Ich habe aber Nein gesagt. Ich gehe deswegen derzeit auch nicht mehr ins Heim.“Ob ein Bürgermeister das Recht auf eine vorgezogene Coronaschutzimpfung habe, beantwortet Riedl so: „Um das zu entscheiden, sollten der Hausverstand und die Zehn Gebote reichen.“
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagt zur Causa: „Kein Impfprogramm ist ein Selbstbedienungsladen, da gibt es klare Priorisierungen und Reihenfolgen.“Das gelte natürlich fraktionsunabhängig und es sei auch egal, ob es sich um Prominente handle, „bei der Gesundheit sind alle gleich“. Das Impfprogramm müsse rechtskonform ablaufen, „wenn das nicht erfolgt ist, haben hier Schritte zu erfolgen“, forderte die SPÖ-Vorsitzende Konsequenzen. Es gehe dabei um die Rechtsstaatlichkeit und nicht um eine politische Frage.
„Ich habe Nein gesagt.“
Alfred Riedl, Gemeindebund