Reform des Fundwesens liegt plötzlich auf Eis
Justizministerium plant Vereinfachung, doch der Gemeindebund ist strikt gegen eine Wertgrenze.
WIEN. Ein Reformvorhaben der Regierung, das noch keine großen Wellen geschlagen hat, aber theoretisch alle Bewohner des Landes betrifft, wurde nun de facto ad acta gelegt. Vorerst jedenfalls kommt es nicht zu einer Reform des Fundwesens in Österreich – obwohl es für die Änderungsvorschläge des Justizministeriums sogar schon eine Begutachtung gab. Das bestätigte eine Sprecherin der derzeit im Mutterschutz befindlichen Justizministerin Alma Zadić (Grüne) auf SNAnfrage.
Wie mit verlorenen Gegenständen umzugehen ist, die ehrliche Finder in den Fundämtern der Gemeinden abgeben, ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) geregelt. In Paragraf 395 wird bestimmt, dass Fundgegenstände von den Fundämtern ein Jahr lang aufzubewahren sind. Wenn sich innerhalb dieser Frist kein „Verlustträger“, wie es im Gesetz heißt, meldet, wird der Finder neuer Eigentümer. Gegenstände, die nicht abgeholt werden, können etwa auf einem Flohmarkt verwertet oder vernichtet werden.
Pro Jahr landen Hunderttausende Gegenstände in den österreichischen Fundämtern, Tendenz steigend. Allein in Wien waren es 2019 rund 110.000. Davon wurden 37 Prozent wieder abgeholt, in neun von zehn Fällen geschah das gleich im ersten Monat nach dem Verlust.
Das Justizministerium wollte nun für geringwertige Gegenstände diese Frist auf sechs Monate halbieren.
Ab einer Wertgrenze von 100 Euro soll die bisherige Aufbewahrungsfrist von einem Jahr bleiben. Begründet wird die geplante Reform mit der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung seit der letzten Änderung vor fast 20 Jahren. Einerseits gebe es auch dezentrale Abgabestellen wie Fundboxen, andererseits sei es durch Onlineportale wie fundamt.gv.at oder soziale Netzwerke wie Facebook viel einfacher für die Bürger, ihre verlorenen oder vergessenen Schlüssel, Schirme, Geldbörsen oder Fahrräder zurückzubekommen.
Der Gemeindebund teilt zwar diese Ansichten, ist aber strikt gegen die Einführung einer Wertgrenze. Bernhard Haubenberger, Rechtsreferent des Gemeindebundes: „Wir finden, die Eigenverantwortung ist den Bürgern zumutbar, sich innerhalb von sechs Monaten um ihre verlorenen Sachen zu kümmern.“Viele Fundämter hätten überfüllte Lager, daher wäre die Vereinfachung durch eine kürzere Frist dringend nötig. Umgekehrt wäre es für die Gemeindebediensteten vielfach schwer zu beurteilen, ob ein Gegenstand mehr als 100 Euro wert ist oder nicht, etwa bei Uhren, Schmuck und Handys.
Das Justizministerium beharrt aber auf eine Unterscheidung durch eine Wertgrenze. „Die Kernfrage war, Erleichterungen im Rahmen der von der Verfassung vorgegebenen Grenzen zu schaffen“, sagte die Sprecherin der Ministerin. Nach Meinung der Rechtsexperten sei dafür eine Abstufung durch eine Wertgrenze nötig.