Unter Strom
ICHsurre derzeit durch die Straßen. Ich drücke mit dem rechten Fuß auf ein Pedal, aber ich gebe kein Gas. Ich fahre ein Elektroauto.
Das Auto gehört nicht mir. Ich fahre damit, um Eindrücke für einen Bericht auf der Motorseite zu sammeln. Was mir unterwegs auffällt, hat nichts mit dem Modell zu tun und war schon bei meinen letzten Kontakten mit Elektroautos in Ansätzen da: Meine innere Abneigung gegen Fahrzeuge, die geladen und nicht getankt werden, schrumpft.
Das ist erwähnenswert, weil es eine Vorgeschichte dazu gibt. Ich war eines jener Kinder, die zeitgleich zu „Mutti“und „Vati“(in den Rocking Fifties waren das die gängigen Begriffe) schon „Auto“über die Lippen gebracht haben. Lange vor Schulbeginn kannte ich fast alle Marken und Typen. Am Klang unterschied ich etwa einen Opel Rekord von einem Ford Taunus. Das prägte.
Mittlerweile finde ich Strom statt Gas geben nicht mehr so widersprüchlich. Das Gefährt gehorcht trotzdem und mit ein wenig Einbildungskraft entwickelt sich auch so etwas wie Fahrspaß. Vor allem aber schrumpft meine Abneigung, weil sie schrumpfen muss. Dem Lauf der Geschichte ist es nämlich egal, ob ich mich gegen das Elektroauto stemme oder nicht. Der öffentliche Druck wird größer, die Konzerne stellen um, die Lage ist gekippt. Das Elektroauto wird die Führung übernehmen und mit Benzin im Blut wird es in gar nicht so ferner Zukunft nur noch in die Sackgasse gehen.
Ähnliche Umwälzungen musste ich schon öfter über mich ergehen lassen. Als Liebhaber von mit Bedacht geölten mechanischen Schreibmaschinen waren mir die ersten elektrischen Geräte suspekt. Ich schwamm mit den Fingern über die Tasten, vertippte mich oft und vermisste das energische Hineinklopfen der Buchstaben.
Wenige Jahre später waren Maschine und Papier Geschichte. Ich musste meine Sätze von einem Bildschirm ablesen. Schreiben in ein TV-Kastel haben wir gesagt. Die Gewöhnung war mühsam und das alles erscheint aus heutiger Sicht skurril. Schreiben auf Papier? Das wäre wie ein von einer Dampflok gezogener Railjet.
Dass mir als leidenschaftlichem Fotoentwickler in der Dunkelkammer der Siegeszug der Digitalfotografie zu Beginn gar nicht geschmeckt hat, muss ich nicht näher erläutern. Aber: Wer kennt heute noch eine Dunkelkammer? Jetzt der Wandel beim Auto. Elektro biegt in Richtung Mainstream. Motoren, die im Prinzip gleich arbeiten wie jene im Rasierapparat oder im Küchenmixer, prägen zunehmend die Szene.
Ich füge mich. Ich bin es gewohnt: Der Zeitgeist fragt mich nicht nach meiner Meinung. Und vielleicht ist das auch gut so.