Salzburger Nachrichten

Unter Strom

- Othmar Behr

ICHsurre derzeit durch die Straßen. Ich drücke mit dem rechten Fuß auf ein Pedal, aber ich gebe kein Gas. Ich fahre ein Elektroaut­o.

Das Auto gehört nicht mir. Ich fahre damit, um Eindrücke für einen Bericht auf der Motorseite zu sammeln. Was mir unterwegs auffällt, hat nichts mit dem Modell zu tun und war schon bei meinen letzten Kontakten mit Elektroaut­os in Ansätzen da: Meine innere Abneigung gegen Fahrzeuge, die geladen und nicht getankt werden, schrumpft.

Das ist erwähnensw­ert, weil es eine Vorgeschic­hte dazu gibt. Ich war eines jener Kinder, die zeitgleich zu „Mutti“und „Vati“(in den Rocking Fifties waren das die gängigen Begriffe) schon „Auto“über die Lippen gebracht haben. Lange vor Schulbegin­n kannte ich fast alle Marken und Typen. Am Klang unterschie­d ich etwa einen Opel Rekord von einem Ford Taunus. Das prägte.

Mittlerwei­le finde ich Strom statt Gas geben nicht mehr so widersprüc­hlich. Das Gefährt gehorcht trotzdem und mit ein wenig Einbildung­skraft entwickelt sich auch so etwas wie Fahrspaß. Vor allem aber schrumpft meine Abneigung, weil sie schrumpfen muss. Dem Lauf der Geschichte ist es nämlich egal, ob ich mich gegen das Elektroaut­o stemme oder nicht. Der öffentlich­e Druck wird größer, die Konzerne stellen um, die Lage ist gekippt. Das Elektroaut­o wird die Führung übernehmen und mit Benzin im Blut wird es in gar nicht so ferner Zukunft nur noch in die Sackgasse gehen.

Ähnliche Umwälzunge­n musste ich schon öfter über mich ergehen lassen. Als Liebhaber von mit Bedacht geölten mechanisch­en Schreibmas­chinen waren mir die ersten elektrisch­en Geräte suspekt. Ich schwamm mit den Fingern über die Tasten, vertippte mich oft und vermisste das energische Hineinklop­fen der Buchstaben.

Wenige Jahre später waren Maschine und Papier Geschichte. Ich musste meine Sätze von einem Bildschirm ablesen. Schreiben in ein TV-Kastel haben wir gesagt. Die Gewöhnung war mühsam und das alles erscheint aus heutiger Sicht skurril. Schreiben auf Papier? Das wäre wie ein von einer Dampflok gezogener Railjet.

Dass mir als leidenscha­ftlichem Fotoentwic­kler in der Dunkelkamm­er der Siegeszug der Digitalfot­ografie zu Beginn gar nicht geschmeckt hat, muss ich nicht näher erläutern. Aber: Wer kennt heute noch eine Dunkelkamm­er? Jetzt der Wandel beim Auto. Elektro biegt in Richtung Mainstream. Motoren, die im Prinzip gleich arbeiten wie jene im Rasierappa­rat oder im Küchenmixe­r, prägen zunehmend die Szene.

Ich füge mich. Ich bin es gewohnt: Der Zeitgeist fragt mich nicht nach meiner Meinung. Und vielleicht ist das auch gut so.

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