Salzburger Nachrichten

Frauen fehlt es also an Charisma – zumindest im Online-Meeting

Hüten Sie sich vor Videokonfe­renzen, Sie werden dabei vielleicht nicht ernst genommen.

- WWW.SN.AT/FRAUENSACH­E

Großartig – da haben es die Coronapand­emie und ihre schon zahlreiche­n Lockdowns doch tatsächlic­h geschafft, Homeoffice in der Gesellscha­ft als gleichwert­ige Arbeitslei­stung anzuerkenn­en. So mancher Betrieb wäre ohne die Möglichkei­t, seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in der Krise von daheim aus arbeiten zu lassen, zusammenge­brochen.

Dass Homeoffice vor allem den Frauen nicht nur Vorteile gebracht und ihre Mehrfachbe­lastung sogar noch verstärkt hat, wurde seither schon vielfach beschriebe­n. Immerhin: Da Schulen und Kindergärt­en geöffnet sind, lässt sich der Job ja doch halbwegs ungestört von daheim aus erledigen. (Wichtig dabei: Lassen Sie die Unordnung Unordnung sein und ignorieren Sie die blinkende Waschmasch­ine, Ihr Mann macht das hundertpro­zentig genauso!)

Vergangene Woche sorgte nun die Meldung für Erstaunen, wonach Frauen im Homeoffice technisch diskrimini­ert würden. Was man sich darunter vorstellen darf? Frauenstim­men werden bei Online-Gesprächen – etwa über Teams, Zoom oder Skype – als „weniger ausdruckss­tark, kompetent und charismati­sch wahrgenomm­en“, weil diese Programme „nicht alle Anteile der Sprache“übertragen würden. Das haben Forscher der Universitä­ten Magdeburg und Sønderborg (Dänemark) herausgefu­nden.

In ihrer jüngst veröffentl­ichten Studie kamen sie zu dem Ergebnis, dass wegen des hohen Datenvolum­ens Frequenzen ausgedünnt werden. „Bisher wird in der Audioverar­beitung mit vorher festgelegt­en Frequenzbe­reichen gearbeitet, die den stimmliche­n Unterschie­den der Geschlecht­er – vor allem der höheren Stimme von Frauen – nicht immer Rechnung tragen“, sagte Studienlei­ter Ingo Siegert.

Testhöreri­nnen und Testhörer bewerteten die Sprachaufz­eichnungen trainierte­r Sprecherin­nen und Sprecher hinsichtli­ch Stimmhöhe, -umfang und Klangtiefe, dabei kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass den Frauenstim­men in den Online-Konferenze­n im Vergleich zu den männlichen Kollegen „wesentlich­e emotionale Komponente­n“fehlten – „jene Eigenschaf­ten der Stimme, die für den charismati­schen Ausdruck relevant sind“, heißt es in der Studie. „Frauen fehlt Charisma“, betitelten die Autoren ihre Ergebnisse – unnötig reißerisch und eigentlich auch am Thema vorbei, wie manch Leser auf Twitter zu Recht bekrittelt­e. Es geht schließlic­h um die Stimme, nicht um das Charisma berufstäti­ger Frauen.

Vielleicht sollte einmal jemand den „festgelegt­en Frequenzbe­reich“der diversen MeetingToo­ls dahingehen­d technisch erweitern, dass auch die höheren Frauenstim­men gehört werden. Immerhin haben Frauen sich längst ihren Platz in den Firmen bis in die Chefetagen hart erkämpft – und reden mit. Auch online.

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Maria Schmidt-Mackinger

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