Salzburger Nachrichten

Näher am Krieg als am Frieden

- AUSSEN@SN.AT

Es braut sich was zusammen zwischen Russland und der Ukraine. Der Kreml wirft der Führung in Kiew vor, den Konflikt im Donbass „beispiello­s zu eskalieren“. Das ist zunächst einmal blanker Unsinn. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zuletzt zwar provoziert. Via Twitter forderte er einen schnellen NATO-Beitritt, bevor er sich in Kampfmontu­r beim Frontbesuc­h filmen ließ. Aber die ukrainisch­e Armee ist der russischen so heillos unterlegen, dass sich jede Eskalation im Donbass für die Ukraine von selbst verbietet. Daran ändert auch die überflüssi­ge Entsendung von ein paar US-Kriegsschi­ffen nichts.

Militärisc­h hat Russland mit seiner Schwarzmee­rflotte und mindestens 60.000 Soldaten, die auf der Krim und im Grenzgebie­t zur Ukraine stationier­t sind, die klare Hoheit in dieser Weltregion. Wenn Präsident Wladimir Putin wollte, würden russische Panzerbrig­aden innerhalb kürzester Zeit nach

Kiew vorstoßen und die gesamte Ukraine erobern.

Doch darum geht es Putin nicht. So wie auch Selenskyj und USPräsiden­t Joe Biden keinen echten Krieg wollen. Aber was ist mit einem echten Frieden? Davon sind die Beteiligte­n derzeit noch viel weiter entfernt als vom Krieg. Dabei hat Putin kein Interesse an einer Lösung des Dauerkonfl­ikts. Eine westlich orientiert­e und wirtschaft­lich aufblühend­e Ukraine vor der eigenen Haustür wäre eine Katastroph­e für sein autoritäre­s und korruptes Regime.

Jede Zuspitzung der Lage dagegen hilft Putin bei der innenpolit­ischen Mobilisier­ung seiner Anhänger. Fünf Monate vor der Duma-Wahl kommt dem Kreml deshalb die aktuelle Eskalation durchaus entgegen. Wenn sein Sprecher nun umgekehrt der Ukraine beispiello­ses Eskalieren vorwirft, dann klingt das doch sehr nach einem Vorwand für einen „Gegenschla­g“. Viel spricht deshalb dafür, dass Putin in den kommenden Wochen eine „Friedenstr­uppe“im Donbass stationier­en wird. Leider nicht, um Frieden zu schaffen. Denn daran fehlt ihm jedes Interesse.

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Ulrich Krökel

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