Wohnen über dem Supermarkt wird zum neuen Trend
Die Überbauung alter Geschäfte ist schwierig. Werden sie aber in Neubauten integriert, hat es viele Vorteile – für Bürger, Gemeinde, Händler und Ortsbild.
SALZBURG. In zehn von 119 Gemeinden im Bundesland gibt es keinen Nahversorger. Zudem wird die Kritik an flächenfressenden Supermärkten in der Peripherie immer lauter. Die von der Politik gewünschte nachträgliche Überbauung von Supermärkten wurde noch nirgends realisiert.
Abhilfe schaffen nun Projekte, in denen der Supermarkt bei einem mehrgeschoßigen Wohnbau gleich mitgeplant wird, was langsam zum Trend wird. Allein die Salzburg Wohnbau hat bereits solche Projekte in Annaberg, Abtenau, Golling, Mauterndorf, Bischofshofen und am Ginzkeyplatz in Salzburg realisiert. Heuer setzt der Bauträger gleich vier solcher Projekte um: In Thalgau wird ein Billa mit bis zu 14 Mietwohnungen darüber errichtet. In Bürmoos ist ein MPreis samt 24 Mietwohnungen in Bau. In Viehhofen wird ein ganzes Gemeindezentrum errichtet – mit Räumen für das Gemeindeamt, den Tourismusverband, eine Arztpraxis, einen M-Preis, Gewerbeflächen sowie zehn Mietwohnungen. Ein ähnlich multifunktionelles Projekt kommt in Ramingstein (siehe
Kasten). Für Salzburg-WohnbauChef Christian Struber liegen die Gründe für die große Nachfrage nach solchen Kombi-Projekten auf der Hand: „Erstens garantieren sie den sparsamen Umgang mit Grund und Boden.“Zweites Argument sei, dass nur mehr die wenigsten Gemeinden Shopping„Schuhschachteln“am Ortsrand genehmigen würden, sagt er.
Drittens ortet Struber eine Trendwende bei den Handelsketten, die nach anfänglicher Ablehnung nun an solchen Plänen sehr interessiert seien, weil sie so fixe Kunden hätten: „Die Bewohner können sogar mit den Hausschuhen kommen und im Bistro im Markt mittagessen.“Vierter Vorteil sei, dass damit auch das Greißlersterben bekämpft werde, sagt Struber – aber nicht auf ewig: „Die Mietverträge mit den Nahversorgern laufen zwischen zehn und 15 Jahren. Länger binden die sich nicht.“Dass die Handelsketten auch Eigentümer würden, sei eher selten, weiß Struber.
Musterbeispiel aus seiner Sicht ist Ramingstein – wo auf einer Gemeindefläche ein UniMarkt samt sieben Mietwohnungen und einem Seniorenheim entsteht. Struber: „Denn der Ort kämpft mit einem Bevölkerungsrückgang. Und der bestehende Kramerladen wird nicht mehr bewilligt. Den hätte man ohne den geplanten Neubau verloren.“Auch der Ramingsteiner Bgm. Günther Pagitsch (SPÖ) sagt, dass ein Hauptziel des Projekts sei, „der Abwanderung entgegenzuwirken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen“. Zudem sei das Projekt auch „ein wichtiger Beitrag zur Ortskernstärkung“.
„Bewohner können mit den Hausschuhen einkaufen.“
Ch. Struber, Salzburg Wohnbau
Als Projektleiter des Komplexes, in den die Gemeinde 6,8 Millionen Euro investiert, fungiert übrigens der Vizebürgermeister des 1000-Einwohner-Ortes, Leonhard Kocher (ÖVP). Er betont, dass das Projekt ein finanzieller Kraftakt sei: „Denn wir sind an der Kippe zur Ausgleichsgemeinde.“Daher könne sich die Gemeinde das Projekt „ohne Mittel aus dem Gemeindeausgleichsfonds und der Wohnbauförderung nicht leisten“, sagt Kocher.
Stichwort Wohnbauförderung: Mehr davon für solche Projekte wünscht sich neben Struber auch Stephan Gröger, Chef der Heimat Österreich: „Eine Förderung im Sinne der Ortskernstärkung wäre da wünschenswert.“Gröger verweist darauf, dass seine Genossenschaft die ersten dieser Projekte bereits vor 15 Jahre realisiert habe: „Und von den zwölf Supermärkten mit Wohnungen, die wir so im Bundesland gebaut haben, hat bisher keiner zugesperrt.“
Wohnbaulandesrätin Andrea Klambauer (Neos) winkt aber ab: „Ich kann mit Wohnbaufördergeld keine Lebensmittelgeschäfte fördern.“Sehr wohl sei aber denkbar, die jährlich knapp zehn Millionen Euro Fördermittel für die Ortskernstärkung für solche Kombi-Projekte herzunehmen – „wenn mindestens 50 Prozent der entstehenden Fläche fürs Wohnen genutzt werden“.
Und was sagen die Lebensmittelhändler? Einer von ihnen ist Wirtschaftskammer-Präsident
Peter Buchmüller, der AdegMärkte in Hof und Großgmain betreibt. Er sieht solche KombiProjekte ebenfalls positiv. Sie funktionierten dann gut, „wenn der Supermarkt gute Anlieferungsbereiche hat, ein Minimum von 500 bis 600 Quadratmetern Verkaufsfläche und wenn die Leute im Ort sensibilisiert sind, dass sie auch hier einkaufen“. Auch er wünscht sich eine Subvention für den Bau solcher Märkte, um so auch selbstständige Kaufleute dafür zu begeistern.
Im Büro von LH Wilfried Haslauer (ÖVP) wird das abgelehnt – und stattdessen auf die Förderung
für den Betrieb von kleinen Nahversorgern verwiesen: „Im Vorjahr wurden dafür 232.000 Euro ausbezahlt.“
Wie lebt es sich über einem Supermarkt? Nerven nicht die Anlieferungen? Eine 27-Jährige, die seit fünf Jahren über dem Billa am Ginzkeyplatz wohnt, sieht das entspannt: „Die Anlieferung in der Früh kriegen wir nicht so mit, weil wir im vierten Stock wohnen.“Der Supermarkt belebe die Siedlung und sei praktisch, „weil man jederzeit einkaufen kann, ganz ohne Auto“. Ihr Resümee? „Ich würde es weiterempfehlen.“