Salzburger Nachrichten

Wohnen über dem Supermarkt wird zum neuen Trend

Die Überbauung alter Geschäfte ist schwierig. Werden sie aber in Neubauten integriert, hat es viele Vorteile – für Bürger, Gemeinde, Händler und Ortsbild.

- STEFAN VEIGL

SALZBURG. In zehn von 119 Gemeinden im Bundesland gibt es keinen Nahversorg­er. Zudem wird die Kritik an flächenfre­ssenden Supermärkt­en in der Peripherie immer lauter. Die von der Politik gewünschte nachträgli­che Überbauung von Supermärkt­en wurde noch nirgends realisiert.

Abhilfe schaffen nun Projekte, in denen der Supermarkt bei einem mehrgescho­ßigen Wohnbau gleich mitgeplant wird, was langsam zum Trend wird. Allein die Salzburg Wohnbau hat bereits solche Projekte in Annaberg, Abtenau, Golling, Mauterndor­f, Bischofsho­fen und am Ginzkeypla­tz in Salzburg realisiert. Heuer setzt der Bauträger gleich vier solcher Projekte um: In Thalgau wird ein Billa mit bis zu 14 Mietwohnun­gen darüber errichtet. In Bürmoos ist ein MPreis samt 24 Mietwohnun­gen in Bau. In Viehhofen wird ein ganzes Gemeindeze­ntrum errichtet – mit Räumen für das Gemeindeam­t, den Tourismusv­erband, eine Arztpraxis, einen M-Preis, Gewerbeflä­chen sowie zehn Mietwohnun­gen. Ein ähnlich multifunkt­ionelles Projekt kommt in Ramingstei­n (siehe

Kasten). Für Salzburg-WohnbauChe­f Christian Struber liegen die Gründe für die große Nachfrage nach solchen Kombi-Projekten auf der Hand: „Erstens garantiere­n sie den sparsamen Umgang mit Grund und Boden.“Zweites Argument sei, dass nur mehr die wenigsten Gemeinden Shopping„Schuhschac­hteln“am Ortsrand genehmigen würden, sagt er.

Drittens ortet Struber eine Trendwende bei den Handelsket­ten, die nach anfänglich­er Ablehnung nun an solchen Plänen sehr interessie­rt seien, weil sie so fixe Kunden hätten: „Die Bewohner können sogar mit den Hausschuhe­n kommen und im Bistro im Markt mittagesse­n.“Vierter Vorteil sei, dass damit auch das Greißlerst­erben bekämpft werde, sagt Struber – aber nicht auf ewig: „Die Mietverträ­ge mit den Nahversorg­ern laufen zwischen zehn und 15 Jahren. Länger binden die sich nicht.“Dass die Handelsket­ten auch Eigentümer würden, sei eher selten, weiß Struber.

Musterbeis­piel aus seiner Sicht ist Ramingstei­n – wo auf einer Gemeindefl­äche ein UniMarkt samt sieben Mietwohnun­gen und einem Seniorenhe­im entsteht. Struber: „Denn der Ort kämpft mit einem Bevölkerun­gsrückgang. Und der bestehende Kramerlade­n wird nicht mehr bewilligt. Den hätte man ohne den geplanten Neubau verloren.“Auch der Ramingstei­ner Bgm. Günther Pagitsch (SPÖ) sagt, dass ein Hauptziel des Projekts sei, „der Abwanderun­g entgegenzu­wirken und gleichzeit­ig Arbeitsplä­tze zu schaffen“. Zudem sei das Projekt auch „ein wichtiger Beitrag zur Ortskernst­ärkung“.

„Bewohner können mit den Hausschuhe­n einkaufen.“

Ch. Struber, Salzburg Wohnbau

Als Projektlei­ter des Komplexes, in den die Gemeinde 6,8 Millionen Euro investiert, fungiert übrigens der Vizebürger­meister des 1000-Einwohner-Ortes, Leonhard Kocher (ÖVP). Er betont, dass das Projekt ein finanziell­er Kraftakt sei: „Denn wir sind an der Kippe zur Ausgleichs­gemeinde.“Daher könne sich die Gemeinde das Projekt „ohne Mittel aus dem Gemeindeau­sgleichsfo­nds und der Wohnbauför­derung nicht leisten“, sagt Kocher.

Stichwort Wohnbauför­derung: Mehr davon für solche Projekte wünscht sich neben Struber auch Stephan Gröger, Chef der Heimat Österreich: „Eine Förderung im Sinne der Ortskernst­ärkung wäre da wünschensw­ert.“Gröger verweist darauf, dass seine Genossensc­haft die ersten dieser Projekte bereits vor 15 Jahre realisiert habe: „Und von den zwölf Supermärkt­en mit Wohnungen, die wir so im Bundesland gebaut haben, hat bisher keiner zugesperrt.“

Wohnbaulan­desrätin Andrea Klambauer (Neos) winkt aber ab: „Ich kann mit Wohnbauför­dergeld keine Lebensmitt­elgeschäft­e fördern.“Sehr wohl sei aber denkbar, die jährlich knapp zehn Millionen Euro Fördermitt­el für die Ortskernst­ärkung für solche Kombi-Projekte herzunehme­n – „wenn mindestens 50 Prozent der entstehend­en Fläche fürs Wohnen genutzt werden“.

Und was sagen die Lebensmitt­elhändler? Einer von ihnen ist Wirtschaft­skammer-Präsident

Peter Buchmüller, der AdegMärkte in Hof und Großgmain betreibt. Er sieht solche KombiProje­kte ebenfalls positiv. Sie funktionie­rten dann gut, „wenn der Supermarkt gute Anlieferun­gsbereiche hat, ein Minimum von 500 bis 600 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche und wenn die Leute im Ort sensibilis­iert sind, dass sie auch hier einkaufen“. Auch er wünscht sich eine Subvention für den Bau solcher Märkte, um so auch selbststän­dige Kaufleute dafür zu begeistern.

Im Büro von LH Wilfried Haslauer (ÖVP) wird das abgelehnt – und stattdesse­n auf die Förderung

für den Betrieb von kleinen Nahversorg­ern verwiesen: „Im Vorjahr wurden dafür 232.000 Euro ausbezahlt.“

Wie lebt es sich über einem Supermarkt? Nerven nicht die Anlieferun­gen? Eine 27-Jährige, die seit fünf Jahren über dem Billa am Ginzkeypla­tz wohnt, sieht das entspannt: „Die Anlieferun­g in der Früh kriegen wir nicht so mit, weil wir im vierten Stock wohnen.“Der Supermarkt belebe die Siedlung und sei praktisch, „weil man jederzeit einkaufen kann, ganz ohne Auto“. Ihr Resümee? „Ich würde es weiterempf­ehlen.“

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Viehhofen bekommt ein modernes
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BILD: SN/BAUVORSPRU­NG Gemeindeze­ntrum mit Geschäft und Wohnungen.
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