Salzburger Nachrichten

Ein Mann aus der Praxis

Der Wiener Allgemeinm­ediziner Wolfgang Mückstein wird neuer Gesundheit­sminister. Wer ist der langjährig­e grüne Ärztekamme­r-Funktionär und was erwartet ihn im neuen Amt?

- ANDREAS KOLLER MARIA ZIMMERMANN

„Sehr menschlich, aber hart in der Sache“

„Ihr praktische­r Arzt in Wien-Mariahilf.“So trat einem bis Dienstagmi­ttag Wolfgang Mückstein, der neue Gesundheit­sminister, im Internet entgegen. „Wir bemühen uns sehr, für unsere Patienten/-innen eine kontinuier­liche und persönlich­e Betreuung zu gewährleis­ten“, verheißen Mückstein und sein Team. Dieses Ziel wird er in der nächsten Zeit wohl nicht einhalten können. Der Allgemeinm­ediziner und Begründer eines der ersten Primärvers­orgungszen­tren Österreich­s – das übrigens auch Bundespräs­identen Alexander Van der Bellen zu seinen Klienten zählt – übernimmt die derzeit wohl aufreibend­ste politische Funktion, die zu vergeben ist. Die des Gesundheit­sministers mitten in der Coronapand­emie, deren dritte Welle Österreich gerade fest im Griff hat.

Einer breiteren Öffentlich­keit ist der neue Mann im Gesundheit­sministeri­um, der kommenden Montag angelobt wird, bisher nicht bekannt. Fachkreise­n sehr wohl. Mückstein, Jahrgang 1974 und Vater zweier Töchter, war bis vor Kurzem grüner Funktionär in der Wiener Ärztekamme­r. In dieser Eigenschaf­t setzte er sich besonders dafür ein, für die Kassenärzt­e eine höhere Wertschätz­ung zu erreichen. Bei der Ärztekamme­r zeigte man sich dementspre­chend erfreut über den neuen Gesundheit­sminister, der als Hausarzt genau wisse, „wo der Schuh drückt“, wie es hieß.

Er habe gut überlegt, das Amt zu übernehmen, als Grünen-Chef Werner Kogler ihn am Montag angerufen und gefragt habe, ob er zur Verfügung stehe, sagte Mückstein am Dienstag. „Wenn du keine Bedenken hast, mitten in der Pandemie oberster Krisenmana­ger zu werden, dann fehlt dir der Respekt vor der Aufgabe“, sagte er. Ihm sei aber klar geworden, dass er mithelfen möchte, „dass wir alle so gut wie möglich durch die Pandemie kommen“. Der designiert­e Minister legte auch gleich die „Leitlinie“seiner Coronapoli­tik fest: „Unpopuläre Entscheidu­ngen treffen, wenn es nötig ist“, sagte Mückstein und zollte damit zugleich der Entscheidu­ng Michael Ludwigs (SPÖ) in Wien und Johanna Mikl-Leitners (ÖVP) in Niederöste­rreich Respekt, den Lockdown im Osten zu verlängern. Das sei auch seine Haltung: Wenn die Intensivst­ationen an ihre Grenzen kämen, „dann bin ich für einen Lockdown“, betonte er.

Auch wenn Mückstein ein eher unbeschrie­benes Blatt ist, kennt er den Koalitions­partner ÖVP bereits von den Regierungs­verhandlun­gen. Er verhandelt­e im Herbst 2019 die Bereiche Gesundheit und Soziales mit – also exakt jene, die er jetzt als Minister übernimmt. Insofern habe er einen guten Einblick, was auf der Agenda stehe, sagte Mückstein und verwies auch auf die Pflegerefo­rm und andere Projekte des Ministeriu­ms. Seitens des ÖVP-Parlaments­klubs hieß es, man habe Mückstein als „kompetente­n Mediziner kennengele­rnt, der sich engagiert für die Anliegen im Gesundheit­sbereich einsetzt“.

Werner Kogler wiederum rühmte den künftigen Gesundheit­sminister, der in Jeans und Sneakers zur Antrittspr­essekonfer­enz erschienen war, als „Mann der Praxis, der aus vielen Jahren Erfahrung schöpfen kann“, einen Macher, der die Kraft für das Amt mitbringe. Die wird Anschobers Nachfolger auch brauchen – vor allem in den teils extrem aufreibend­en und schwierige­n Verhandlun­gen zwischen Bund und Ländern, aber auch mit dem Koalitions­partner, wo die Zeichen zuletzt auf Sturm standen.

Geht es ums Verhandeln, beschreibt ihn der Allgemeinm­ediziner Christoph Pelanek, der mit Mückstein im Vorstand der Wiener Ärztekamme­r saß und ihn von da gut kennt, auf SN-Nachfrage als „menschlich und locker“, aber auch „hart in der Sache“und „extrem gut vorbereite­t“. Er habe aber auch keine Scheuklapp­en, wenn jemand eine bessere Idee habe, sagt Pelanek. – Eigenschaf­ten, die der neue Minister dringend brauchen wird.

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Wolfgang Mückstein bei seiner Antrittspr­essekonfer­enz an der Seite von Grünen-Chef Kogler.

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