Erneuter Rückschlag für die Impfkampagne
Seltene Thrombosen nach Impfungen mit Johnson & Johnson könnten den Impfplan bremsen.
WIEN. Wegen möglicher schwerer Nebenwirkungen verschiebt der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson die Auslieferung seines Coronaimpfstoffs in Europa. Bei sechs geimpften Frauen (im Alter von 18 bis 48 Jahren) waren innerhalb von zwei Wochen nach der Impfung Thrombosen in den Hirnvenen und eine sogenannte Thrombozytopenie (gleichzeitiger Blutplättchenmangel) aufgetreten. Eine Frau starb, eine weitere Frau befindet sich in kritischem Zustand.
Die Fälle würden nun genauer untersucht, teilten die US-Gesundheitsbehörden CDC und die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA am Dienstag in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Bis ein Ergebnis vorliege, werde als Vorsichtsmaßnahme die vorübergehende Aussetzung der Impfungen mit Johnson & Johnson empfohlen.
„Die Nachricht kam für mich nicht überraschend“, sagt die unabhängige Impfstoffexpertin Christina Nicolodi im SN-Gespräch. Erst diese Woche wurde der kausale Zusammenhang von den seltenen Thrombosen und einer Impfung von AstraZeneca in einem Fachjournal veröffentlicht: Eine Immunreaktion führt zu den Komplikationen (die SN berichteten). Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis diese Zusammenhänge auch bei Johnson & Johnson zum Thema würden.
Wie bei den Impfstoffen von AstraZeneca und Sputnik V ist das Vakzin von Johnson & Johnson ein Vektorimpfstoff. Bei all diesen Impfstoffen werden Adenoviren verwendet, um den Bauplan des Virus in den Körper zu bringen. Ob diese Vektoren Auslöser der seltenen Immunreaktion sind, ist derzeit noch Gegenstand der Forschung. Expertin Nicolodi: „Ich gehe aber davon aus, dass es einen Zusammenhang gibt.“Man kenne das bereits von anderen Adenoviren, die in der Gentherapie zum Einsatz kämen.
Generell sollte man aber nicht in Panik verfallen, sagt Nicolodi. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA habe erst kürzlich noch einmal bestätigt, dass der Nutzen nach wie vor Risiken beim Impfstoff von AstraZeneca überwiege. Beim Impfstoff von Johnson & Johnson betonte die Behörde, dass ein Zusammenhang zwischen Thrombosen und einer Impfung noch nicht festgestellt worden sei.
Was heißt das aber für den heimischen Impfplan? In Österreich sind am Dienstag die ersten Dosen von Johnson & Johnson eingetroffen, verimpft werden sie aber vorerst nicht. Die 16.800 bisher in Österreich eingelangten Impfdosen liegen laut Gesundheitsministerium noch im Lager des Großhandels. Nach den Nachrichten aus den USA reagierte man prompt: „So lange, wie Unklarheit über allfällige Nebenwirkungen herrscht, werden diese Dosen nicht an die Impfstellen ausgeliefert und auch nicht verimpft“, heißt es aus dem Gesundheitsressort auf SN-Anfrage. Es finde laufend ein Austausch mit internationalen Stellen wie der EMA und der Europäischen Kommission statt. Die nächste Lieferung von 31.200 Dosen wird für die Kalenderwoche 17 (Ende April) erwartet. Die folgenden Auslieferungen sind noch nicht fixiert. Bestellt wurden von Österreich 2,5 Millionen Dosen von Johnson & Johnson.
Weil nur ein Stich benötigt wird, spielt der Impfstoff keine unwesentliche Rolle im heimischen Impfplan, auch wenn von anderen Vakzinen mehr Dosen bestellt wurden. Österreich hat etwa bislang 11,1 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer, 5,9 Millionen Dosen von AstraZeneca, 4,7 Millionen von Moderna und drei Millionen von CureVac bestellt.