Große Protestwelle, kleine Wirkung
George Floyds Tod hat an der Polizeipraxis offensichtlich zu wenig geändert.
Millionen Menschen demonstrierten nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd vor knapp einem Jahr gegen Rassismus und Polizeigewalt. Aber haben sie etwas verändert? Eine Untersuchung des Pew Research Center ergab, dass die Zustimmung zur „Black Lives Matter“-Bewegung von Sommer auf Herbst um zehn Prozentpunkte sank. Und ein Blick nach Minneapolis zeigt, dass sich auch in der Polizeipraxis kaum etwas geändert hat: Am Sonntag erschoss eine Polizistin einen Schwarzen bei einer Kontrolle – nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, wo jenem Polizisten, der sein Knie auf Floyds Nacken gedrückt hatte, der Prozess gemacht wird.
Selbst wenn es ein „Versehen“war, wie der hiesige Polizeichef sagte, wirft der neue Fall gleich mehrere Schlaglichter: Offensichtlich sind nicht einmal in der Stadt des damaligen Vorfalls die Polizisten sensibilisiert, was überschießendes Verhalten gegenüber Schwarzen angeht. Was ihre Ausbildung betrifft, lässt das diesmalige „versehentliche“Zücken der Pistole ohnehin Schlimmes erahnen.
Zwar haben zahlreiche US-Städte nach dem Tod von George Floyd reagiert. So wurden die umstrittenen Würgetechniken vielerorts verboten. Insgesamt aber wurde das kleingliedrige Polizeiwesen in den USA mit all seinen Fehlern zu wenig angetastet.
Ein kleiner Lichtblick: Der nach George Floyd benannte „Justice in Policy Act“hat im März den US-Kongress passiert. Darüber soll unter anderem eine nationale Datenbank für polizeiliches Fehlverhalten geschaffen und sichergestellt werden, dass dieses nicht mit dem Wechsel des Dienstorts quasi verjährt.
Ob das Gesetzespaket auch die Mehrheitshürde im Senat nehmen wird, ist aber ungewiss. Vielleicht leistet der jüngste Fall zumindest dafür einen Anschub.