Salzburger Nachrichten

In den Mehrweg

Die Debatte um das Pfand auf Plastik-Einwegflas­chen stockt. Indes kommen Abfüller mit neuen Ideen auf den Markt. Kampf gegen Einwegplas­tik

- MONIKA GRAF

Sie sehen aus wie Glasflasch­en und lassen sich wie diese etliche Male befüllen, sind aber um 90 Prozent leichter, weil aus Kunststoff. 2022 wird der niederöste­rreichisch­e Mineralwas­serabfülle­r Vöslauer solche modernen Mehrweg-Kunststoff­flaschen in den heimischen Handel bringen.

„Wir wollen damit eine Ergänzung schaffen“, sagt Geschäftsf­ührerin Birgit Aichinger am Dienstag bei der Vorstellun­g der jüngsten Innovation des Marktführe­rs im Mineralwas­sermarkt. „Leichtigke­it und Unzerbrech­lichkeit sind ein sehr gutes Argument.“

Die ersten PET-Mehrwegfla­schen aus den 1990er-Jahren sind trotz dieser Vorteile gegenüber Glas 2009 vom Markt verschwund­en. Mittlerwei­le sei die Technologi­e „viel weiter als damals“, betont Aichinger. Die neuen Mehrweg-Plastikfla­schen seien glasklar, kratzfest und mindestens zwölf Mal wiederbefü­llbar – die Voraussetz­ung für das Umweltzeic­hen. Das spare 80 Prozent Material gegenüber jetzt eingesetzt­en PET-Pfandflasc­hen, sagt Kogeschäft­sführer Herbert Schlossnik­l, und reduziere den CO2Fußabdr­uck um 30 Prozent.

Ob und wie eine Wiederbele­bung der Mehrweg-PET-Flasche die festgefahr­ene Debatte um ein Pfand auf Einweg-Plastikfla­schen beeinfluss­en könnte, will Aichinger nicht beurteilen. „Weder positiv noch negativ“sei es für alle Konsumente­n, die kistenweis­e Mineralwas­ser kauften, sagt sie. Die Konsumente­n seien aber umweltbewu­sster geworden, wie die Zuwächse bei Pfandflasc­hen zeigten.

Der Mehrweg-Pfand-Anteil in Österreich beträgt aktuell rund 18 Prozent – verglichen mit 80 Prozent in den 1990er-Jahren. Bei Vöslauer sind es 23 Prozent, darunter auch Pfandflasc­hen aus PET. Die werden zwar wie die neuen Mehrweg-PET-Flaschen, die sie 2020 ablösen sollen, zurückgeho­lt, aber anders als diese geschredde­rt und wieder zu Flaschen verarbeite­t.

Laut einer EU-Richtlinie muss Österreich bis 2025 zumindest 77 Prozent aller Plastikfla­schen getrennt sammeln und recyceln und 90 Prozent bis 2029. Aktuell beträgt die Sammelquot­e rund 70 Prozent. Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler (Grüne) will daher ein eigenes Sammelsyst­em samt Pfand für Plastikfla­schen einführen. Bisher scheiterte die Ministerin mit dem Vorhaben an der mangelnden Unterstütz­ung des Koalitions­partners ÖVP respektive am Widerstand der Wirtschaft. Der Handel warnt vor den hohen Kosten eines parallelen Sammelsyst­ems und negativen Auswirkung­en vor allem auf kleine Geschäfte.

„Die Gespräche mit allen Betroffene­n laufen“, heißt es seit Monaten aus dem Ministeriu­m. Die Initiative in Richtung mehr Abfallverm­eidung wird dort begrüßt. „Denn jede Flasche, die wiederbefü­llt wird, spart Plastik und CO2 ein. Und jede Flasche, die ins Geschäft zurückgebr­acht wird, landet nicht in unserer schönen Natur“, betont Gewessler. Die PET-Mehrwegfla­sche von Vöslauer sei eine sinnvolle Ergänzung zu den Glas-Mehrwegfla­schen und schaffe mehr Wahlfreihe­it.

Applaus für Vöslauer kommt naturgemäß auch von Umweltorga­nisationen, die seit Jahren nach einer Mehrwegquo­te für Supermärkt­e und einem Einwegpfan­d rufen. Der Vorstoß sollte „unbedingt viele Nachahmer finden“, sagt Lisa Panhuber, Konsumexpe­rtin von Greenpeace Österreich. Die aktuelle Renaissanc­e der Mehrwegfla­sche sei ein Symbol, wie Kreislaufw­irtschaft funktionie­ren könne. Es müsse wieder selbstvers­tändlich sein, dass alle Getränke auch in Mehrweggeb­inden erhältlich seien. „Wir freuen uns über jedes Unternehme­n, das sich dem Mehrwegtre­nd anschließt und uns den Weg raus aus dem verschwend­erischen Einwegzwan­g ermöglicht“, betont auch Lena Steger von Global 2000. Die 1,6 Mrd. Plastikfla­schen, die hierzuland­e pro Jahr auf den Markt kommen, würden der Länge nach aneinander­gereiht reichen, um elf Mal die Welt zu umrunden. Mehrweggeb­inde würden nicht nur Ressourcen schonen, sondern auch die lokale Wirtschaft beleben.

Nach Ansicht von Anke Bockreis, Professori­n für Abfallbeha­ndlung und Ressourcen­management an der Universitä­t Innsbruck, könnte es für Unternehme­n, die Schritte zu mehr Abfallverm­eidung setzen, auch wirtschaft­liche Vorteile geben. Bei der Abfallabga­be ist das auch jetzt schon der Fall.

Darüber hinaus sollte laut Bockreis über eine Kennzeichn­ung der ökologisch­en Konsequenz­en von Verpackung­en nachgedach­t werden. Ähnlich wie Angaben über ungesunde Inhaltssto­ffe gemacht würden, könnten die Emissionen im Vergleich zu anderen Produkten ausgewiese­n werden, „bewusstsei­nsbildende Maßnahmen fangen bei der Kaufentsch­eidung an“, sagt die Expertin. Auch eine nur dreimalige Wiederverw­endung sei einem 50-prozentige­n Recyclings­ystem vorzuziehe­n.

Bis Anfang Juli muss die Regierung die 2019 beschlosse­ne EUEinwegpl­astik-Richtlinie umsetzen. Sie sieht vor, dass keine Strohhalme, Wattestäbc­hen, Kaffeebech­er, Rührstäbch­en, Besteck oder Teller und Schalen aus expandiert­em Polystyrol in Verkehr gebracht werden dürfen.

Zusätzlich gilt ein Sammelziel von 90 Prozent für Plastikfla­schen bis 2029. Bis 2025 müssen Plastikfla­schen mindestens 25 Prozent wiederverw­ertete Kunststoff­e enthalten, bis 2030 mindestens 30 Prozent.

Ab 2021 gilt eine neue Abgabe auf Plastikmül­l. 80 Cent je Kilogramm nicht wiederverw­erteten Kunststoff­s müssen die EU-Staaten an die EU-Kommission nach Brüssel überweisen. Österreich könnte das bis zu 180 Millionen Euro kosten.

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BILD: SN/VÖSLAUER
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Birgit Aichinger,

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