In den Mehrweg
Die Debatte um das Pfand auf Plastik-Einwegflaschen stockt. Indes kommen Abfüller mit neuen Ideen auf den Markt. Kampf gegen Einwegplastik
Sie sehen aus wie Glasflaschen und lassen sich wie diese etliche Male befüllen, sind aber um 90 Prozent leichter, weil aus Kunststoff. 2022 wird der niederösterreichische Mineralwasserabfüller Vöslauer solche modernen Mehrweg-Kunststoffflaschen in den heimischen Handel bringen.
„Wir wollen damit eine Ergänzung schaffen“, sagt Geschäftsführerin Birgit Aichinger am Dienstag bei der Vorstellung der jüngsten Innovation des Marktführers im Mineralwassermarkt. „Leichtigkeit und Unzerbrechlichkeit sind ein sehr gutes Argument.“
Die ersten PET-Mehrwegflaschen aus den 1990er-Jahren sind trotz dieser Vorteile gegenüber Glas 2009 vom Markt verschwunden. Mittlerweile sei die Technologie „viel weiter als damals“, betont Aichinger. Die neuen Mehrweg-Plastikflaschen seien glasklar, kratzfest und mindestens zwölf Mal wiederbefüllbar – die Voraussetzung für das Umweltzeichen. Das spare 80 Prozent Material gegenüber jetzt eingesetzten PET-Pfandflaschen, sagt Kogeschäftsführer Herbert Schlossnikl, und reduziere den CO2Fußabdruck um 30 Prozent.
Ob und wie eine Wiederbelebung der Mehrweg-PET-Flasche die festgefahrene Debatte um ein Pfand auf Einweg-Plastikflaschen beeinflussen könnte, will Aichinger nicht beurteilen. „Weder positiv noch negativ“sei es für alle Konsumenten, die kistenweise Mineralwasser kauften, sagt sie. Die Konsumenten seien aber umweltbewusster geworden, wie die Zuwächse bei Pfandflaschen zeigten.
Der Mehrweg-Pfand-Anteil in Österreich beträgt aktuell rund 18 Prozent – verglichen mit 80 Prozent in den 1990er-Jahren. Bei Vöslauer sind es 23 Prozent, darunter auch Pfandflaschen aus PET. Die werden zwar wie die neuen Mehrweg-PET-Flaschen, die sie 2020 ablösen sollen, zurückgeholt, aber anders als diese geschreddert und wieder zu Flaschen verarbeitet.
Laut einer EU-Richtlinie muss Österreich bis 2025 zumindest 77 Prozent aller Plastikflaschen getrennt sammeln und recyceln und 90 Prozent bis 2029. Aktuell beträgt die Sammelquote rund 70 Prozent. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) will daher ein eigenes Sammelsystem samt Pfand für Plastikflaschen einführen. Bisher scheiterte die Ministerin mit dem Vorhaben an der mangelnden Unterstützung des Koalitionspartners ÖVP respektive am Widerstand der Wirtschaft. Der Handel warnt vor den hohen Kosten eines parallelen Sammelsystems und negativen Auswirkungen vor allem auf kleine Geschäfte.
„Die Gespräche mit allen Betroffenen laufen“, heißt es seit Monaten aus dem Ministerium. Die Initiative in Richtung mehr Abfallvermeidung wird dort begrüßt. „Denn jede Flasche, die wiederbefüllt wird, spart Plastik und CO2 ein. Und jede Flasche, die ins Geschäft zurückgebracht wird, landet nicht in unserer schönen Natur“, betont Gewessler. Die PET-Mehrwegflasche von Vöslauer sei eine sinnvolle Ergänzung zu den Glas-Mehrwegflaschen und schaffe mehr Wahlfreiheit.
Applaus für Vöslauer kommt naturgemäß auch von Umweltorganisationen, die seit Jahren nach einer Mehrwegquote für Supermärkte und einem Einwegpfand rufen. Der Vorstoß sollte „unbedingt viele Nachahmer finden“, sagt Lisa Panhuber, Konsumexpertin von Greenpeace Österreich. Die aktuelle Renaissance der Mehrwegflasche sei ein Symbol, wie Kreislaufwirtschaft funktionieren könne. Es müsse wieder selbstverständlich sein, dass alle Getränke auch in Mehrweggebinden erhältlich seien. „Wir freuen uns über jedes Unternehmen, das sich dem Mehrwegtrend anschließt und uns den Weg raus aus dem verschwenderischen Einwegzwang ermöglicht“, betont auch Lena Steger von Global 2000. Die 1,6 Mrd. Plastikflaschen, die hierzulande pro Jahr auf den Markt kommen, würden der Länge nach aneinandergereiht reichen, um elf Mal die Welt zu umrunden. Mehrweggebinde würden nicht nur Ressourcen schonen, sondern auch die lokale Wirtschaft beleben.
Nach Ansicht von Anke Bockreis, Professorin für Abfallbehandlung und Ressourcenmanagement an der Universität Innsbruck, könnte es für Unternehmen, die Schritte zu mehr Abfallvermeidung setzen, auch wirtschaftliche Vorteile geben. Bei der Abfallabgabe ist das auch jetzt schon der Fall.
Darüber hinaus sollte laut Bockreis über eine Kennzeichnung der ökologischen Konsequenzen von Verpackungen nachgedacht werden. Ähnlich wie Angaben über ungesunde Inhaltsstoffe gemacht würden, könnten die Emissionen im Vergleich zu anderen Produkten ausgewiesen werden, „bewusstseinsbildende Maßnahmen fangen bei der Kaufentscheidung an“, sagt die Expertin. Auch eine nur dreimalige Wiederverwendung sei einem 50-prozentigen Recyclingsystem vorzuziehen.
Bis Anfang Juli muss die Regierung die 2019 beschlossene EUEinwegplastik-Richtlinie umsetzen. Sie sieht vor, dass keine Strohhalme, Wattestäbchen, Kaffeebecher, Rührstäbchen, Besteck oder Teller und Schalen aus expandiertem Polystyrol in Verkehr gebracht werden dürfen.
Zusätzlich gilt ein Sammelziel von 90 Prozent für Plastikflaschen bis 2029. Bis 2025 müssen Plastikflaschen mindestens 25 Prozent wiederverwertete Kunststoffe enthalten, bis 2030 mindestens 30 Prozent.
Ab 2021 gilt eine neue Abgabe auf Plastikmüll. 80 Cent je Kilogramm nicht wiederverwerteten Kunststoffs müssen die EU-Staaten an die EU-Kommission nach Brüssel überweisen. Österreich könnte das bis zu 180 Millionen Euro kosten.