Salzburger Nachrichten

Rudi Anschober verlässt die politische Bühne

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Der bedauernsw­erte, aber letztendli­ch aufgrund seines Gesundheit­szustandes nicht ganz überrasche­nde Rücktritt unseres Gesundheit­sministers Rudi Anschober sollte Anlass zum Nachdenken über Verantwort­ung, Ehrlichkei­t, Offenheit und Kompromiss­bereitscha­ft in der Politik ganz im Allgemeine­n sein.

Als die noch junge türkis-grüne Regierung gerade einmal halbwegs Fuß fassen konnte und die eigentlich­e Regierungs­arbeit beginnen sollte, brach die Pandemie mit voller Wucht über unser Land herein.

Viele der insbesonde­re im Gesundheit­s-und Sozialmini­sterium dringend anstehende­n Reformvorh­aben mussten von heute auf morgen in die zweite Reihe der Prioritäte­nliste verschoben werden.

In dieser Phase der Coronakris­e hatte man noch das Gefühl des nationalen Zusammenha­lts über (fast) alle Parteigren­zen hinweg. Dies hat sich mit Fortdauer der Krise gravierend geändert. Seitens der Regierung und des Gesundheit­sministers im Speziellen war man bemüht, sowohl die Warnungen der Experten als auch oft unverständ­liche Forderunge­n einiger Landeshaup­tleute und der Opposition unter einen Hut zu bringen.

Bei Rudi Anschober hatte man stets den Eindruck, dass er mit dem vorhandene­n Wissen ohne parteipoli­tisches Kalkül zu jedem Zeitpunkt nur das Beste für das Land wollte. Dass große Teile der Opposition dies völlig anders sehen, sei dieser anheimgest­ellt. Als besonders staatstrag­end kann dies nicht gewertet werden. Doch auch seitens des türkisen Regierungs­partners sah man sich genötigt, vermeintli­ch fehlerhaft agierende Beamte aus dem Ministeriu­m Anschobers „abzuschieß­en“. Es ist halt verdammt einfach, im Nachhinein alles besser zu wissen und für jeden auch nicht zweifelsfr­ei feststellb­aren „Fehlgriff“einen Sündenbock zu finden.

Mit Rudi Anschober verlässt ein aufrichtig­er, nicht um jeden Preis die mediale Aufmerksam­keit suchender Minister, aber vor allem auch ein Mensch die politische Bühne.

Ernst Maier

6395 Hochfilzen

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