Türkis-grüne Krise wurde sichtbar
Anschober fühlte sich von der ÖVP zuletzt alleingelassen. Eine Analyse.
Rudolf Anschober war ein zurückhaltender Politiker. Offene Kritik an anderen war seine Sache nicht. Bei ihm musste man daher immer auch genau hinhören, was er nicht sagte. Und so fiel auf, dass er sich in seiner Abschiedsrede am Dienstag zwar bei allen möglichen Leuten bedankte, die ÖVP und Kanzler Sebastian Kurz aber mit keinem Wort erwähnte.
Die Opposition zog daraus den Schluss, dass Anschobers Rücktritt die persönliche Schuld von Kanzler Kurz sei. Das ist nicht ganz wahr und nicht ganz falsch. Nicht ganz wahr, da auch die Opposition mit ihrer Blockadepolitik im Bundesrat und ihrer populistischen Kritik an jeder Coronamaßnahme dem Gesundheitsminister das Leben schwer machte. Und nicht ganz falsch, da der Rücktritt Anschobers tatsächlich die schwelende Koalitionskrise zwischen ÖVP und Grünen sichtbar macht.
Vor allem die Causa Auer dürfte das persönliche Verhältnis zwischen Kurz und Anschober getrübt haben. Der ehrgeizige Kanzler war seit Monaten unzufrieden mit Anschobers Spitzenbeamten Clemens Martin Auer, dem er eine zu schleppende und unambitionierte Vorgangsweise bei den Coronaimpfungen vorwarf. Auer – obwohl selbst ein ÖVP-Mann – musste auf Druck von Kurz gehen, was Anschober eines seiner wichtigsten Mitarbeiter im Ressort beraubte.
Auch inhaltlich fühlte sich Anschober zuletzt vom Kanzler alleingelassen. War es Kurz am Anfang der Krise selbst gewesen, der auf scharfe Maßnahmen drängte, überließ er diese Rolle zuletzt ganz dem Gesundheitsminister. Anschober stand damit in ständigem Konflikt mit widerstrebenden Landeshauptleuten, gegen die er sich zweifellos mehr Unterstützung des Kanzlers erwartet hätte.
Der einzige Landeshauptmann, den Anschober in den Dankesworten seiner Abschiedsrede erwähnte, war übrigens der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der Architekt der „Osterruhe“.
Fall Auer führte zu Irritationen