Die „kleine Pioniergarage“hat große Pläne
Rund 600.000 Euro hat die Salzburg Wohnbau in das MakerSpace investiert. Eine bunte, kreative Truppe trifft auf Wissenschaft und Wirtschaft.
Sie sind Bühnenbildner, Steinmetze, Architekten, Schauspieler, Restauratoren, Mediendesigner und sogar Tätowierer. Sie sind derzeit der Kern der neu gegründeten Kreativabteilung MakerSpace der Salzburg Wohnbau, die sich in einem Filmprojekt von Mediendesignerin Michèle Kofler mit einer künstlerischen Performance vorstellt: Sechs Leute sitzen mit weißen Masken und weißen Anzügen an einem Tisch. Masken werden mit Fugenmasse überzogen, auf dem Tisch liegen Utensilien von Zeitungsschnipseln bis zu Computerteilen. „Jeder arbeitet an jedem, bis sich jeder verformt“, sagt Kofler. Am Ende entstehen völlig neue Gesichter.
Sich vernetzen, gegenseitig befruchten, sich austauschen und dabei spontan und ungeplant Neues entstehen lassen. Kreative Menschen dürfen sich austoben, ohne Vorgaben, ohne das enge Korsett klassischer Planungsprozesse. „Sie arbeiten isoliert von uns, damit sie nicht ,kontaminiert‘ werden von unseren klassischen Denkmustern“, betont Salzburg-Wohnbau-Geschäftsführer Roland Wernik.
In seiner Funktion als Vorsitzender des Salzburger Wissenschaftsrats geht es ihm auch darum zu zeigen, dass „hier die kleine Pioniergarage lebt“, die er sich auf Landesebene im Großen als Schnittstelle zwischen Kreativen, Wissenschaft und Wirtschaft wünscht. Rund 600.000 Euro für 35 Arbeitsplätze hat die Salzburg Wohnbau in das MakerSpace gesteckt. Als Spielwiese wurde die Fläche einer ehemaligen Spar-Filiale direkt hinter der Firmenzentrale in der Salzburger Alpenstraße großzügig mit einfachsten Mitteln und Materialien und vielen Gelegenheiten für Kommunikation gestaltet.
Besprechungsräume mit Biergartenmöbeln, Getränkekisten und wiederverwertbarem Bauholz wechseln mit Begegnungszonen rund um einen Billardtisch oder eine Schaukel und mit Arbeitsbereichen, die mit einfachsten Materialen individuell von den Mitarbeitern gestaltet sind. Für die Einrichtung ihrer persönlichen Arbeitsplätze wurden Michèle Kofler und Kollegin Johanna Lehmert, die sich als Mediendesignerin derzeit noch als Tätowiererin ausbilden lässt, vor allem auf Flohmärkten fündig.
Rund um die kreative Truppe sitzen aber auch andere Mitarbeiter der Salzburg Wohnbau – vom Rechnungswesen bis zum Programmierer. Im MakerOffice ist ein Bereich zum Beispiel an eine Monitoringfirma für Photovoltaikanlagen vermietet. Unternehmen aus der Digitalszene, Start-ups aus dem Umfeld der Salzburg Wohnbau, sollen mit jungen Kreativen an Projekten im MakerSpace arbeiten. Gesucht wird dabei auch die Vernetzung mit der Universität Salzburg, der Fachhochschule, dem Holztechnikum Kuchl und anderen Forschungseinrichtungen.
Als eines der ersten Projekte haben Kofler und ihre Kollegen, die sich „Kollektiv Extasier“nennen, aber ein Projekt im Auge, das zunächst überhaupt nichts mit Wohnbau zu tun hat. „Wir arbeiten an einer Zu-VerschenkenTonne“, sagen Kofler und Lehmert. „Wir wollen dafür eine Mülltone so umbauen, dass mit einem seitlichen Zugang jeder leicht etwas reingeben, aber auch herausnehmen kann. Wir finden den sozialen Gedanken, der uns alle vereint, und die Sachen, die von Herzen kommen, sehr schön. Mit Kunst und Design kann man auf vieles aufmerksam machen.“
Mit Kunst hat auch ein anderes Projekt zu tun, das sich „Ein-Quadratmeter-Büro“nennt oder neudeutsch „One-SQM-Office“. Hintergrund ist, dass durch die Coronakrise viele Menschen im Homeoffice arbeiten. Vielfach verbunden mit dem Problem, dass nicht alle ein Büro zur Verfügung haben, in dem auch Arbeitsatmosphäre aufkommt. Als Prototyp ist zum Beispiel ein zusammenfaltbarer Schreibtisch aus dickem Karton entstanden. Im Rahmen einer Masterarbeit an der FH Kuchl arbeitet man an einem aufklappbaren Sideboard als Homeoffice-Arbeitsplatz. Die kreative Fragestellung ist für Michèle Kofler dabei: „Wie soll so ein Möbel für einen Singlehaushalt aussehen und wie für eine Familie mit Kindern?“
Nachhaltigkeit und die Wiederverwertung alter Baumaterialien könnten künftig bei vielen Projekten mitschwingen. Die Salzburg Wohnbau hat hier seit ein, zwei Jahren in Zusammenarbeit mit der Universität, der Bautechnischen Versuchs- und Forschungsanstalt, der Fachhochschule und Partnern wie Deisl Beton bereits Pionierarbeit geleistet und auch schon erste Bauprojekte umgesetzt. Im Vordergrund steht dabei nach Angaben Werniks vor allem das Recycling von Beton, aber auch von Holz. Dabei soll es neue Denkansätze geben, die nicht vom klassischen Muster und Streben nach Umsatzsteigerung geprägt sind, sondern von
„Wir brauchen Freiräume für kreative Denkansätze.“
Roland Wernik, Salzburg Wohnbau
qualitativem Wachstum. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats ist überzeugt davon, dass Arbeitszugänge wie im MakerSpace Zukunft haben: „Das hier ist nicht normales Arbeiten, wie wir es bisher gewohnt sind. Gerade jetzt ist es wichtig, die Menschen wieder fürs Arbeiten zu begeistern. Viele sind in der Krise ausgestiegen und haben Schwierigkeiten zurückzufinden.“Er ist überzeugt, dass das auch in größerem Maßstab in der Pioniergarage auf Landesebene gut funktionieren würde. Die Pläne dafür stehen, sie soll in der ehemaligen Josef-Rehrl-Schule in der Stadt Salzburg entstehen, Freiräume für kreative Ideen schaffen und Menschen unterschiedlichster Richtungen zusammenführen. Für Wernik könnte die Umsetzung schneller gehen.