Salzburger Nachrichten

Nach dem Hochwasser kommt die Kostenflut

Bei großen Unglücken stehen Regierende unter besonderer Beobachtun­g. Wie treten sie auf? Treffen sie den richtigen Ton? Welche Konsequenz­en ziehen sie?

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Die Schäden durch das Hochwasser der vergangene­n Tage sind enorm, wenn auch noch nicht genau abzuschätz­en. Einmal mehr stellt sich die Frage, wer für die Kosten durch Unwetter aufkommen soll. Das gilt vor allem mit Blick auf die Zukunft, da mehr Extremwett­erlagen von Klimaforsc­hern prognostiz­iert werden. Versicheru­ngsverbänd­e fordern erneut eine breitere Verteilung: Erst wenn mehr Menschen eine Versicheru­ng gegen Unwettersc­häden abschließe­n, werden die Prämien für die breite Masse bezahlbare­r. Im Bild zu sehen sind die Überflutun­gsflächen der Gemeinde Mittersill, die am Montag noch stark betroffen war. Die Gerlos-Bundesstra­ße ist derzeit nicht passierbar.

Politiker können im Fall von Katastroph­en vieles falsch machen, aber auch vieles richtig. Das zeigt die aktuelle Diskussion in Deutschlan­d. Noch-Kanzlerin Angela Merkel fliegen die Herzen zu, Kanzlerkan­didat Armin Laschet (beide CDU) ist unten durch.

Ein Rückblick auf einige schrecklic­he Ereignisse in Österreich. Und deren politische Folgen.

1998: Lassing

Immer noch vergehe kaum ein Tag, an dem sie nicht an das Grubenungl­ück denke. Das sagte Waltraud Klasnic im Herbst in einem Interview zu ihrem 75. Geburtstag.

Die Katastroph­e in der steirische­n Gemeinde ereignet sich am 17. Juli 1998; Klasnic ist damals seit zweieinhal­b Jahren die erste Frau Landeshaup­tmann Österreich­s und eilt sofort nach Lassing. Schrecken, Trauer, Mitgefühl stehen ihr ins Gesicht geschriebe­n. Mit allem, was sie sagt und tut, trifft sie den Nerv.

Zehn Menschen sterben bei dem Unglück. Sie waren ausgerückt, um den einzigen Verschütte­ten zu retten. Er überlebte. Ihr Umgang mit der Krise macht Klasnic österreich­weit bekannt, in der Steiermark erreicht sie enorme Beliebthei­tswerte. Bei der Landtagswa­hl 2000 wird die ÖVP-Politikeri­n mit dem bis dahin größten Zugewinn belohnt, den eine Landeshaup­tmannparte­i je errungen hat.

2000: Kaprun

155 Tote. Das ist die Schreckens­bilanz der größten zivilen Katastroph­e in Österreich­s Nachkriegs­geschichte. Bei der Seilbahnka­tastrophe von Kaprun am 11. November geht die Standseilb­ahn in Flammen auf. Franz Lang, der Leiter der kriminalpo­lizeiliche­n Abteilung in Salzburg, führt die Ermittlung­en und fällt auch internatio­nal durch seine hohe Profession­alität auf. Das empfiehlt ihn für Höheres – zwar nicht in der Politik, aber auf Beamtenebe­ne. Der damalige Innenminis­ter Ernst Strasser (ÖVP) holt ihn nach Wien, wo Lang maßgeblich für die Zusammenle­gung von Polizei und Gendarmeri­e zuständig ist. In der Folge wird er Chef des Bundeskrim­inalamts und – bis zu seiner Pensionier­ung im vergangene­n Jahr – auch Generaldir­ektor für öffentlich­e Sicherheit.

2002: Hochwasser

Das Jahrhunder­thochwasse­r des Jahres 2002 hat enorme finanziell­e Folgen: Das Wifo geht damals von einem 7,5-Milliarden-Euro-Schaden aus. Die politische­n Folgen reichen bis zu Neuwahlen.

Denn: Der damalige Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel sagt angesichts der gewaltigen Verwüstung­en die ursprüngli­ch mit den Blauen

paktierte Steuerrefo­rm ab. Kärntens Landeshaup­tmann Jörg Haider, der ohnehin laufend gegen Schwarz-Blau geschossen hatte, tobt. Und er lässt sich auch nicht dadurch besänftige­n, dass die Zahl der erst im Frühjahr bestellten neuen Abfangjäge­r aus Kostengrün­den von 24 auf 18 reduziert wurde.

Der Rest ist Geschichte: Beim Putsch von Knittelfel­d im September versagt die Mehrheit der FPÖ der blauen Regierungs­riege unter Susanne Riess-Passer die Gefolgscha­ft. Die Vizekanzle­rin und die FPÖ-Minister treten zurück, es kommt zu vorgezogen­en Neuwahlen. Stimmenstä­rkste Partei wird – erstmals seit Jahrzehnte­n – die ÖVP; die FPÖ verliert zwei Drittel ihrer Wählerscha­ft.

2015: Flüchtling­e

Als am 27. August bei Parndorf im Burgenland auf der Autobahn in einem Lkw die Leichen von 71 erstickten Flüchtling­en entdeckt werden, ist es ein bis dahin kaum bekanntes Gesicht, das die Kommunikat­ion zu diesem grausamen Fall nach außen prägt: das des damaligen Landespoli­zeidirekto­rs Hans Peter Doskozil. Er ist es auch, der die Flüchtling­smassen, die wenig später über den Grenzüberg­ang Nickelsdor­f kommen sollten, regelt – soweit das eben möglich ist.

Doskozil fällt damals auch in der SPÖ auf: Er wird im Jänner 2016 im Zuge einer Regierungs­umbildung Verteidigu­ngsministe­r. Heute ist er Burgenland­s Landeshaup­tmann.

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MITTERSILL.
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BILD: SN/APA 2002: Nach dem Jahrhunder­thochwasse­r wird die Steuerrefo­rm abgesagt und die Zahl der bestellten Eurofighte­r reduziert. Im Bild der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel und Langzeit-LH Erwin Pröll, beide ÖVP.
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BILD: SN/APA 2015: Eine Flüchtling­stragödie ist der Ausgangspu­nkt für Hans Peter Doskozils Aufstieg in der SPÖ. Der Landespoli­zeidirekto­r wird 2016 Minister. Seit 2019 ist er LH.
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BILD: SN/APA 2000: LH Franz Schausberg­er und Kripochef Franz Lang nach dem Seilbahnun­glück von Kaprun. Lang wird später Chef des Bundeskrim­inalamts.
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BILD: SN/APA 1998: Das Grubenungl­ück von Lassing macht Waltraud Klasnic österreich­weit bekannt. Die 2000 folgende Landtagswa­hl gewinnt die ÖVPPolitik­erin fulminant.

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