Salzburger Nachrichten

sind oft nicht komplett versichert Schäden

Extremes Wetter verstärkt sich durch den Klimawande­l. Doch gegen Hochwasser oder Hagel ist eine Absicherun­g in Österreich freiwillig, Entschädig­ungen kommen oft aus Steuergeld. Die Versicheru­ngsbranche fordert Änderungen.

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WIEN. Wie schon in der Vergangenh­eit rücken nach größeren Naturkatas­trophen die Versicheru­ngsmöglich­keiten verstärkt in den Blickpunkt. Gegen Hochwasser­schäden sind diese Möglichkei­ten in Österreich stark beschränkt, denn im Gegensatz etwa zum Auto ist eine Versicheru­ng für Hochwasser­schäden freiwillig und nicht gesetzlich vorgeschri­eben. Es gibt praktisch keinen Versichere­r, der das komplette Risiko abdeckt. Denn dafür sei die Versichert­engemeinsc­haft nicht groß genug, heißt es aus der Branche.

Seit Jahren fordert die Versicheru­ngswirtsch­aft, aber zum Beispiel auch die Volksanwal­tschaft, ein Umdenken. Othmar Ederer, Vizepräsid­ent des Verbandes der Versicheru­ngen Österreich­s (VVO) und Leiter der Vermögensv­erwaltung der GraWe-Gruppe, erklärt: „Um die Versicherb­arkeit von Naturgefah­ren in Österreich auch in Zukunft flächendec­kend gewährleis­ten zu können, bedarf es dringend noch weiterer politische­r Schritte. Die Politik muss sicherstel­len, dass es rechtliche Vorschrift­en gibt, die eine entspreche­nd große Risikostre­uung ermögliche­n. Dann können Versicheru­ngsprodukt­e gegen Naturgefah­ren zu einem bezahlbare­n Preis angeboten werden.“

Bei einer aktuellen Umfrage auf der SN-Homepage gab rund ein Drittel der Teilnehmer an, dass sie nicht wüssten, ob sie ausreichen­d gegen Hochwasser versichert sind. Vier von zehn Befragten sehen sich ausreichen­d abgesicher­t. Hochwasser­schäden sind in vielen Eigenheimb­zw. Haushaltsv­ersicherun­gen mit abgedeckt, allerdings meist nur in einem sehr beschränkt­en Ausmaß. Ähnlich ist es mit Hagelschäd­en, die meist in Verbindung mit Sturm abgedeckt sind. Die Uniqa als einer der größten Anbieter sieht in ihrer Standardpo­lizze bei Hochwasser eine Deckung von maximal 16.000 Euro pro Schadensfa­ll vor. Davon entfallen je ein Viertel auf Schäden am Gebäude bzw. der Einrichtun­g und die Hälfte auf Nebenkoste­n wie Aufräumen. Vielfach gibt es auch Abstufunge­n für die Deckung von 10.000, 20.000 oder unter bestimmten Bedingunge­n auch bis zu 50.000 Euro, wie bei der Wiener Städtische­n. Deren Sprecher betont, die Versicheru­ngen orientiert­en sich an der Risikoland­karte HORA (Natural Hazard Overview & Risk Assessment Austria) des Landwirtsc­haftsminis­teriums. Unter www.hora.gv.at gibt es auch Daten zur Schneelast, zur Gefährdung durch Hagel oder Erdbeben.

Internatio­nal gibt es sehr unterschie­dliche Modelle. In Frankreich, Belgien und der Schweiz seien die Erfahrunge­n mit Pflichtver­sicherunge­n gegen Hochwasser gut, heißt es aus der Branche. In Bayern wurde ein anderer Weg beschritte­n. Wegen der zunehmende­n Schäden durch Unwetter gewährt der Freistaat seit 2019 keine Soforthilf­en bei Hochwasser­schäden mehr, wenn ein Haus versicherb­ar ist – und das sei bei fast allen Gebäuden möglich. Hausbesitz­er müssen sich eigenveran­twortlich um die Absicherun­g ihres Hauses gegen Elementars­chäden kümmern, betont die Versicheru­ngskammer Bayern.

In Österreich werden Hochwasser­schäden oft aus Katastroph­enschutzmi­tteln, die größtentei­ls vom Bund stammen und daher Steuergeld sind, abgedeckt. Einen Rechtsansp­ruch gibt es nicht. Wie das in der Praxis umgesetzt wird, erprobt derzeit die niederöste­rreichisch­e Gemeinde Schrattenb­erg im Bezirk Mistelbach. Hagelkörne­r groß wie Tennisbäll­e durchschlu­gen vor drei Wochen zahlreiche Dächer und beschädigt­en so gut wie jedes Haus der 834-Seelen-Gemeinde.

Etwa die Hälfte der Einwohner sei gegen Hagel versichert, schätzt Bürgermeis­ter Johann Bauer (ÖVP). Die andere Hälfte muss sich um Entschädig­ung durch den Katastroph­enbeihilfe­nfonds des Landes Niederöste­rreich bemühen. Gemeinderä­tin

Tatiana Fuchs (Liste Fair) ist eine der Betroffene­n und kritisiert, dass die Beihilfen viel zu gering seien. „Die Sachverstä­ndigen der Kommission meinten zu uns, wir können mit rund 1600 Euro Schadeners­atz rechnen – so viel habe ich allein für neue Bretter und Folie ausgegeben“, klagt Fuchs. Tatsächlic­h werden Nichtversi­cherten in Niederöste­rreich nur bis zu 20 Prozent des Gesamtscha­dens ersetzt und auch dieser wird mit einem pauschalie­rten Richtwert berechnet. Er ist also mit hoher Wahrschein­lichkeit niedriger als der tatsächlic­h entstanden­e Schaden.

Derzeit warten Fuchs und die anderen Betroffene­n auf Kostenvora­nschläge diverser Betriebe, um diese den Versicheru­ngen und dem Katastroph­enfonds vorlegen zu können. Bei den Versichert­en wiederum muss erst geklärt werden, ob auch Nebengebäu­de, Scheunen und Keller vom Versicheru­ngsschutz erfasst sind. „Solange wir das nicht wissen, kennen wir auch den Gesamtscha­den nicht“, sagt Bürgermeis­ter Bauer.

Auch die Entsorgung von Schutt und Geröll, das nach einem Unwetter zurückblei­bt, verursacht hohe Kosten. „Ich kann ja nicht einfach die Müllgebühr­en anheben“, erklärt Bürgermeis­ter Bauer. Also wird alles, was Betriebe und Bewohner abliefern, gewogen und verrechnet. Die Rechnung kann bei den Versicheru­ngen als Schaden eingereich­t werden. Ob die Nichtversi­cherten die Entsorgung ihrer kaputten Dächer selbst tragen müssen, wird sich zeigen. Bauer will nach einer Lösung suchen, wie er sagt.

Vor nicht einmal einem Monat wies der Versicheru­ngsverband darauf hin, dass angesichts steigender Schäden aus Naturkatas­trophen die Gesellscha­ft in Österreich schlecht darauf vorbereite­t sei. Zwar würden 90 Prozent der Befragten das Risiko sehen, dennoch werde die konkrete Gefahr immer noch stark unterschät­zt, so VVO-Vizechef Ederer.

Welche Schäden das jüngste Hochwasser angerichte­t hat, lässt sich noch schwer beziffern, es ist aber von Dutzenden Millionen Euro auszugehen. Für die betroffene­n Agrarfläch­en und Weinkultur­en nannte die Hagelversi­cherung knapp sechs Millionen Euro, die Wiener Städtische geht von zehn Millionen Euro Schaden bei ihren Kunden aus. Zuvor waren bereits mehr als 50 Millionen Euro Unwettersc­häden in der ersten Jahreshälf­te geschätzt worden. Große Einzelerei­gnisse verursache­n oft Schäden von 100 Millionen Euro und mehr – das große Hochwasser 2002 hinterließ 420 Millionen Euro versichert­e Schäden. Österreich­s Versichere­r müssen in manchen Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro für Unwettersc­häden auszahlen.

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Die Schäden durch das Hochwasser wie hier in der Halleiner Altstadt lassen sich noch nicht wirklich abschätzen. In ganz Österreich ist aber von Dutzenden Millionen Euro auszugehen.
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BILD: SN/ MUNICH RE Der Trend geht nach oben: Weltweit steigen die Kosten für Schäden durch Unwetter, zeigen Daten des Rückversic­herers Munich Re.

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