Wenn die Werbeoffiziere ausgeschickt werden
Über Rekrutierungsbüros, Alkohol und die aktuellen Sorgen groß gewachsener Männer.
„Her die Hand, es muss ja sein, / Lass Dein Liebchen fahren, / Trink mit uns vom Werberwein, / Komm zu den Husaren! – Bruder, komm zum Militär, / Lass von uns Dich werben, / Komm, es muss das Ungarheer / Siegen oder sterben!“– Ungeachtet dieses martialischen Beginns folgt jetzt eine rein merkantile Feststellung, nämlich: Wie jedes Ding hat auch eine Einkaufsstraße zwei Seiten.
Bei der Wiener Mariahilfer Straße ist die gute Seite die stadteinwärts gesehen linke Straßenseite. Denn der Westbahnhof, wo einst die Kundschaft aus dem Wiener Umland ankam, liegt so, dass man von ihm aus automatisch auf die linke Straßenseite geht. Die Leute schlenderten dort stadteinwärts und wenn sie beim Ring kehrtmachten und auf der rechten Straßenseite wieder zum Bahnhof zurückgingen, hatten sie ihr Geld meist schon ausgegeben. Deshalb lagen die großen Kaufhäuser alle auf der linken Seite. Auch das neue Rekrutierungsbüro
des Bundesheeres, das im Herbst eröffnet wird, liegt auf der guten, der linken Seite der Mariahilfer Straße. Ungeachtet der Wehrpflicht will das Bundesheer dort Freiwillige anwerben, da es die Österreicher ja bekanntlich mit der Pflicht nicht so haben.
Geworben werden sollen die angehenden Soldaten mit zivil-merkantilen Argumenten wie gutem Gehalt und sicherem Job. Alkohol wird keiner ausgeschenkt, was in deutlichem Gegensatz zum eingangs zitierten „Werberlied“aus dem „Zigeunerbaron“steht.
Diese Operette spielt zu einer Zeit, als die Armeen ihre Reihen noch mit handfesteren Mitteln auffüllten als mit Videowänden und Werbebüros in eleganten Einkaufsstraßen. Die präsumtiven Rekruten wurden von Werbeoffizieren so lange unter Alkohol gesetzt, bis sie alles unterschrieben – auch ihre Verpflichtung zum Militär. Die merkantil geschickten Engländer ersparten sich die Ausgabe für den oben besungenen Werberwein. Ihre Presskommandos lauerten einfach vor den Pubs auf die heraustorkelnden Betrunkenen, überwältigten sie und schleppten sie auf die Kriegsschiffe. Wenn die Armen ihren Rausch ausgeschlafen hatten, waren sie auf hoher See und Matrosen Seiner Majestät. So wird man zur Weltmacht.
Auch Preußens König Friedrich Wilhelm I. beschäftigte Presskommandos, die ihm seine einzige Freude beschaffen mussten: „Lange Kerls“. Denn der Monarch hatte eine unerklärliche Vorliebe für riesige Soldaten, und um sie zu rekrutieren, waren ihm alle Mittel recht, sogar regelrechte Entführungen.
Insofern wurde es im hochgewachsenen Teil der österreichischen Männerwelt kürzlich mit Unruhe registriert, dass die Verteidigungsministerin einen baumlangen Tiroler in ihr Kabinett aufgenommen hat. Sollte auch sie ...?
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