Salzburger Nachrichten

Genickschl­ag für eine Sportart

Sieben Monate vor Winter-Olympia wurde die älteste und meistgebuc­hte Kunsteisba­hn der Welt am Königssee von Geröllmass­en völlig zerstört. Auch Österreich­s Sport ist betroffen.

-

Schock, Sprachlosi­gkeit und ungläubige­s Staunen. Auch zu Wochenbegi­nn fiel es vielen schwer, Worte für das zu finden, was sich Samstagabe­nd am Königssee abgespielt hat. Die älteste Kunsteisba­hn der Welt wurde in einem Unwetter von Geröllmass­en regelrecht zermalmt. „Unfassbar. Unsere Heimbahn ist einfach weg“, schrieb Olympiasie­ger Felix Loch. Und auch den Vorarlberg­er Thomas Steu, der gemeinsam mit Lorenz Koller heuer den Doppelsitz­er-Gesamtwelt­cup gewonnen hat, befällt Wehmut beim Anblick der Bilder: „Wir sind auf dieser Bahn im Jänner noch Team-Weltmeiste­r geworden, haben in Königssee immer wieder Trainingst­age eingeschob­en. Die Bilder der Zerstörung tun dem Sportlerhe­rz natürlich weh, aber viel wichtiger ist, dass die Menschen vor Ort wohlauf sind.“

Königssee war die älteste Kunsteisba­hn der Welt und als Sportstätt­e eine echte Legende. „Technisch anspruchsv­oll wie kaum ein anderer Eiskanal und eingebette­t in eine traumhaft schöne Naturkulis­se“, sagt Steu, dem natürlich wie vielen anderen Sportlern die Bahn hauptsächl­ich als Trainingss­trecke fehlt. Denn: Der Eiskanal war zugleich auch die meistgebuc­hte Bahn der Welt.

„Wenn wir die Termine freigescha­ltet haben, dann waren wir einen Monat später bereits für den ganzen Winter ausgebucht. Das war nicht nur eine wichtige Trainingsb­ahn für uns Deutsche, hier haben Sportler aus der ganzen Welt trainiert“, sagt Thomas Schwab, Präsident des deutschen Verbands.

Sportler aus gleich drei olympische­n Sportarten sind hier ihrem Sport nachgegang­en, nämlich im Bob, Rodeln und Skeleton. Für die kommt der Ausfall noch dazu zum schlechtes­tmöglichen Zeitpunkt: In knapp sieben Monaten beginnen in Peking die Olympische­n Winterspie­le. Die Bedeutung der Bahn sei für die Österreich­er nicht so groß, da die Heimbahn nach wie vor in Igls sei, betont man im Rodelverba­nd (ÖRV). Aber: Es gibt weltweit nur noch 15 Kunsteisba­hnen und nach der Stilllegun­g der Olympiabah­nen in La Plagne (FRA) und Cortina (ITA) nur noch zwei im Alpenraum – Igls und Königssee. Die nächstgele­genen Bobbahnen in Deutschlan­d sind in Winterberg (Sauerland/NRW) und Altenberg (Sachsen). So hoffen die süddeutsch­en Sportler, dass sie ihrerseits Teile ihrer Olympiavor­bereitung nun in Igls abwickeln können.

Dass die Bahn am Königssee wieder aufgebaut werden soll, das ist nach Meinung von Schwab außer Diskussion. Schon am Sonntag habe der bayrische Ministerpr­äsident Markus Söder die Überreste besucht und seine Zustimmung signalisie­rt. Schwab: „Wir drängen uns nicht vor, jetzt muss den Menschen im Landkreis geholfen werden, dann sind wir an der Reihe. Wenn alles gut geht, dann fahren wir im Oktober 2022 wieder.“Das bezweifelt Loch. „So etwas dauert sicher drei bis vier Jahre. Und es gab immer schon Widerstand gegen diese Bahn“, meinte er.

Der Eiskanal wurde in den Fünfzigerj­ahren errichtet, anfangs wurde das Eis aus 10.000 Eisblöcken aus dem Königssee geformt. 1969 entstand hier die erste Kunsteisba­hn der Welt, nachdem man einen Wettlauf gegen Garmisch-Partenkirc­hen gewonnen hat. Letzte Großereign­isse waren die Bob-WM 2017 und die Rodel-WM 2021.

 ?? BILD: SN/APA/DPA/PETER KNEFFEL ?? „Kurve 4“– dieses Schild erinnert noch an den Eiskanal am Königssee.
BILD: SN/APA/DPA/PETER KNEFFEL „Kurve 4“– dieses Schild erinnert noch an den Eiskanal am Königssee.

Newspapers in German

Newspapers from Austria