Der ungeheure Bach: Nun wird über die Schuldfrage debattiert
Viele Halleiner hatten Samstagabend ein Déjàvu-Erlebnis, als das Wasser durch etliche Stadtteile schoss und Keller, Garagen und Wohnungen überflutete. Da kamen Erinnerungen hoch an den Abend des 10. August 1976, als der Kothbach ebenfalls zu einer verheerenden Hochwasserkatastrophe (siehe SN-Zeitungsausschnitt) führte und die Stadt in eine Schlammwüste verwandelte. Was sich in den folgenden Tagen abspielte, ähnelte dem heute: Das Bundesheer rückte an, Landespolitiker versprachen rasche Hilfe und Geld, Spendenaktionen wurde initiiert.
Damals war rasch klar, dass es eine verstärkte Uferverbauung für den Kothbach braucht. Die Wildbach- und Lawinenverbauung plante ein Projekt, beklagte im September 1976 aber ganz allgemein, dass viele Projekte am Geld scheitern würden, vor allem an Bundesmitteln. Das Geld ist 2021 freilich nicht das Problem. Für den Kothbach wurde seit 2014 ein Hochwasser-Schutzprojekt geplant. Kosten: 6,3 Millionen Euro, 58 Prozent kommen vom Bund. Allerdings hat sich das Projekt aufgrund von gerichtlichen Einsprüchen durch den Naturschutzbund verzögert. Viele Halleiner zeigten sich deshalb am Montag verärgert. Es gab wütende Postings in sozialen Medien. Auch Bgm. Alexander Stangassinger (SPÖ) sagte: „Zwei Drittel dieses Projekts hätten wir bereits umsetzen können – und die Situation in Hallein wäre heute eine andere.“Wobei erwähnt werden muss: Mehrere Autos, die in den Bach gestürzt waren, trugen Samstagabend zu der Verklausung und der enormen Überflutung bei.
Für Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) steht dennoch fest: „Hallein wäre zu verhindern gewesen, wenn dieses bewilligte und ausfinanzierte Projekt gebaut worden wäre.“Es sei an der „Zeit, für Schutzprojekte dieser Art auch andere Rahmenbedingungen an den Tag zu legen, was vor allem die Möglichkeit von Parteienstellung und Einsprüchen betrifft. Die Menschen an Ort und Stelle haben nicht das geringste Verständnis für Einsprüche von NGOs, die jahrelange Verzögerungen bei Schutzprojekten zur Folge haben.“
Der Naturschutzbund wies die Kritik zurück. „Jetzt zu sagen, dass das Projekt aufgrund eines Einspruchs nicht schon fertig ist, ist Abschieben von Verantwortung“, sagte Geschäftsführer Hannes Augustin zur APA. Man habe nur einen Teil des Projekts kritisch gesehen. Grünen-Klubchefin Kimbie Humer-Vogl betonte, dass es jetzt rasche Unterstützung und einen Schulterschluss der Politik benötige, „anstatt Sündenböcke zu suchen“. SPÖ-Parteichef David Egger meinte hingegen, es sei schon fragwürdig, warum solche Dinge vom Naturschutz verhindert würden. Auch FPÖ-Chefin Marlene Svazek ist der Meinung, dass man NGOs hier sehr wohl in die Verantwortung nehmen müsse. „Weil es nicht sein kann, dass man Eigeninteressen über das Gesamtinteresse stellen kann.“
LH Wilfried Haslauer (ÖVP) meinte dazu, es gebe einen Rechtsstaat mit zugewiesenen Rechtsmöglichkeiten. Man habe bei der Einlegung von Rechtsmitteln aber auch eine gewisse Verantwortung. Auch NGOs müssten hier das Gesamte sehen.
„Das Ereignis in Hallein wäre zu verhindern gewesen.“Elisabeth Köstinger, Ministerin