Schlangen in den Schlagzeilen
Der Python, der Anfang Juli in der Kloschüssel eines Grazers hockte und ihn biss, erinnert mich an meine Zeit in der Reptilienklinik. Ein Rückblick.
Was für eine Schlagzeile das war: „Python kriecht aus Toilette und beißt Mann in Genitalien“. Die Meldung ging um die Welt. Nicht verwunderlich, Schlangen gehören zu den größten Angstauslösern überhaupt. Umfragen zufolge fürchtet sich in Österreich angeblich mehr als die Hälfte aller Frauen vor Schlangen und fast ein Drittel der Männer. Damit liegen Schlangen sogar deutlich vor Zahnärzten.
Wie es der Zufall will, tauchte nur wenige Tage später erneut ein Python in einem WC auf. Dieses Mal in Wien und ohne Beißattacke. Aber abgesehen von Mensch-Schlange-Begegnungen in Toiletten gibt es sie auch in freier Natur. Wer beispielsweise im Waldbad Anif baden geht, kann durchaus einer freundlichen Ringelnatter begegnen, die im Vorbeischwimmen höflich züngelt. Habe ich selbst schon erlebt. Auch beim Wandern werden regelmäßig Schlangen gesichtet.
Die Schlangenschlagzeilen erinnerten mich an meine Studienzeit. Etwa 20 Jahre ist es her, dass ich in der Reptilienklinik an der Tierärztlichen Fakultät in München ein Praktikum absolvieren, na ja, sagen wir – durfte. Anfangs war ich davon nicht sehr begeistert, aber dann entdeckte ich eine vorher nicht gekannte Welt. Gleich am ersten Tag wurde eine Boa constrictor mit schweren Verbrennungen aus Südtirol eingeliefert. Die Schlange war über eine Herdplatte gekrochen. Am nächsten Tag wurden wir zum Eisbach im Englischen Garten gerufen. Jemand hatte einen viereinhalb Meter langen Albinopython
dort ausgesetzt. Mit sechs Leuten fingen wir ihn ein, räumten die Klinik-Putzkammer aus, richteten sie mit Ästen, Wasserstelle und Stroh neu ein und nannten die Schlange Friedhelm.
Da die Klinik auch Auffangstation war, kamen ausgesetzte und beschlagnahmte Tiere am Fließband herein: Geierschildkröten aus umliegenden Baggerseen, Chamäleons aus Minikäfigen, Alligatoren aus Badewannen. Ich hätte Tagebuch schreiben sollen. Manchmal hatte ich keine Ahnung, was für ein Wesen ich überhaupt vor mir hatte. Wer kennt schon aus dem Effeff eine Mata-Mata, eine Schildkröte aus dem Amazonasgebiet, die Fransen am Körper hat?
Die Zeit damals war aufregend und lehrreich, aber unterm Strich verknüpft mit schrecklichem Tierleid, das durch Unwissenheit der Halter entsteht. Dennoch darf man nicht alle ReptiBesitzer in einen Topf werfen. Es gibt echte Profis, die ihre Tiere vorbildlich halten und sich perfekt kümmern. Reptilienhaltung ist ein schwieriges Feld, aber faszinierend, auch das habe während des Praktikums gelernt, sind Schlangen definitiv. Übrigens: Die Station bietet Führungen an (WWW.REPTILIENAUFFANGSTATION.DE). Ein Ausflug lohnt sich bestimmt.
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