Hallein: Aufgeräumt wird bis zur Erschöpfung
Am Montag war ganz Hallein auf den Beinen, um die Flutschäden zu beseitigen. Dass niemand verletzt wurde, grenzt an ein Wunder.
Alexander Eisenmann war am Montag ein gefragter Interviewpartner. Der 48-Jährige war in seinem Haus in der Augustinergasse, das unweit des Kothbachs liegt, ein Opfer des Hochwassers von Samstagabend geworden. Doch nicht nur das. Er wurde auch zum Lebensretter seiner Nachbarn Salih (54) und Ayse (45) Karaarslan, wie ein Amateurvideo die dramatischen Szenen dokumentiert. Zum Dank wurde ihm Montagmittag vom türkischen Generalkonsul Berkan Pazarci ein Blumenstrauß überreicht. Der Konsul lud Eisenmann auch zu einem einwöchigen Urlaub in die Türkei ein.
Wo sich am Samstagabend noch die Lebensrettung abgespielt hatte, herrschte Montagmittag geschäftiges Treiben: Denn Betroffene, Feuerwehrleute, 66 Bundesheersoldaten (die Besuch von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) per Blackhawk erhielten) und viele Freiwillige halfen beim Aufräumen. So ratterte etwa ein Muldenkipper mit Kettenantrieb des Heeres durch die Augustinergasse, während nebenan am Molnarplatz gerade mittels Ladekran ein Haufen mit verschmutztem und desolatem Hausrat auf einen Lkw geladen wurde.
Schwer betroffen war etwa das Haus Florianiplatz 7 von Dieter Ortner. Der Pensionist hat das Haus an eine praktische Ärztin vermietet, deren Praxis vom Hochwasser total verwüstet wurde: Das Wasser stand am Samstag 1,5 Meter hoch. Ortner zeigt aber auf eine Plakette im Gang, die an die Flut von 1976 erinnert: „Da stand das Wasser etwa 1,8 Meter hoch. Damals hatten wir im Gar
ten noch keine Mauer. Aber dieses Mal war so viel Wasser im Kothbach, dass es über die Mauer drübergeschwappt ist.“Er schätzt seinen Schaden „auf einen sechsstelligen Betrag“. Noch am Sonntag sei er wegen des Schadens „sehr depressiv gewesen“, sagt Ortner. Am Montag blickte er wieder optimistischer in die Zukunft: Freunde aus Mühlbach am Hochkönig, Sabine Kroissenbrunner und ihr Mann, waren angereist, um beim Aufräumen anzupacken: „Wenn Freunde Hilfe brauchen, dann kommt man“, sagt Kroissenbrunner. Ortner betont, dass es ein Wunder sei, dass niemand verletzt worden sei. „Der Schaden lässt sich reparieren.“In seinem Fall werde es aber wohl Monate dauern, bis die Mauern ausgetrocknet, die Elektroinstallationen samt E-Heizung ausgetauscht und die Böden erneuert seien, sagt Ortner.
Die Anrainer im am schwersten betroffenen Teil der Halleiner Altstadt gehen davon aus, dass ein in den Bach gestürztes Auto die Verklausung ausgelöst haben dürfte. Stichwort Auto: Gleich fünf davon wurden in der Familie von Jakob Wohlmuther durch die Fluten beschädigt: „Vier davon sind wahrscheinlich ein Totalschaden“, sagt er. Denn Wohlmuthers Haus am Unteren Markt hat einen geräumigen Hof: „Da stand das Wasser fast einen Meter hoch.“Noch vor der Katastrophe hat sich der Inhaber einer Buchbinderei selbst ein Bild von der Lage am Kothbach gemacht: „Der Bach war dann innerhalb von zehn Minuten heraußen.“Glück im Unglück sei, dass sein Betrieb fast nicht betroffen sei: „Unsere Werkstatt ist weiter offen.“
Vorübergehend schließen hingegen musste Conny Forsthuber vom „Halleiner Kisterl“am Bayrhamerplatz: „Hinten ist das Wasser über den Notausgang hereingekommen – da hatten wir 30 Zentimeter hoch Dreck und Schlamm.“Da auch Ware beschädigt worden sei, habe sie am Ende elf Autoanhänger voll Unrat entsorgen müssen. Aufsperren werde sie ihr Geschäft wohl erst ab Mittwoch oder Donnerstag, sagt sie. Ähnlich erwischt hat es das Esprit-Geschäft von Andrea Neuwirth: „Wir hatten überall Schlamm drin. Aber die Ware hing hoch, darum konnten wir sie retten.“Das Mobiliar hat sie aber entsorgt. „Wann wir aufsperren können, wissen wir noch nicht.“
Glück hatte Annette Schindlmeier mit ihrer Pizzeria „Cleitzlers“: „Wir haben die Lokaltür mit Sandsäcken dicht gemacht und blieben verschont.“Als Dank dafür hat die Gastronomin am Montag die Helfer mit Dutzenden Pizzen versorgt.
Bgm. Alexander Stangassinger (SPÖ) zeigte sich am Montagnachmittag einigermaßen optimistisch: „Bis zum Ende der Woche werden große Teile der Stadt wieder so aussehen wie vorher.“Die Stadt Hallein hat eine Spendenaktion gestartet. Auch der durch Einsprüche verzögerte Hochwasserschutz sei bereits teils in Bau, sagt Stangassinger. Wann ist er fertig? „Ende 2024 wird Hallein bestmöglich geschützt sein.“