Salzburger Nachrichten

Hallein: Aufgeräumt wird bis zur Erschöpfun­g

Am Montag war ganz Hallein auf den Beinen, um die Flutschäde­n zu beseitigen. Dass niemand verletzt wurde, grenzt an ein Wunder.

- STEFAN VEIGL

Alexander Eisenmann war am Montag ein gefragter Interviewp­artner. Der 48-Jährige war in seinem Haus in der Augustiner­gasse, das unweit des Kothbachs liegt, ein Opfer des Hochwasser­s von Samstagabe­nd geworden. Doch nicht nur das. Er wurde auch zum Lebensrett­er seiner Nachbarn Salih (54) und Ayse (45) Karaarslan, wie ein Amateurvid­eo die dramatisch­en Szenen dokumentie­rt. Zum Dank wurde ihm Montagmitt­ag vom türkischen Generalkon­sul Berkan Pazarci ein Blumenstra­uß überreicht. Der Konsul lud Eisenmann auch zu einem einwöchige­n Urlaub in die Türkei ein.

Wo sich am Samstagabe­nd noch die Lebensrett­ung abgespielt hatte, herrschte Montagmitt­ag geschäftig­es Treiben: Denn Betroffene, Feuerwehrl­eute, 66 Bundesheer­soldaten (die Besuch von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) per Blackhawk erhielten) und viele Freiwillig­e halfen beim Aufräumen. So ratterte etwa ein Muldenkipp­er mit Kettenantr­ieb des Heeres durch die Augustiner­gasse, während nebenan am Molnarplat­z gerade mittels Ladekran ein Haufen mit verschmutz­tem und desolatem Hausrat auf einen Lkw geladen wurde.

Schwer betroffen war etwa das Haus Florianipl­atz 7 von Dieter Ortner. Der Pensionist hat das Haus an eine praktische Ärztin vermietet, deren Praxis vom Hochwasser total verwüstet wurde: Das Wasser stand am Samstag 1,5 Meter hoch. Ortner zeigt aber auf eine Plakette im Gang, die an die Flut von 1976 erinnert: „Da stand das Wasser etwa 1,8 Meter hoch. Damals hatten wir im Gar

ten noch keine Mauer. Aber dieses Mal war so viel Wasser im Kothbach, dass es über die Mauer drübergesc­hwappt ist.“Er schätzt seinen Schaden „auf einen sechsstell­igen Betrag“. Noch am Sonntag sei er wegen des Schadens „sehr depressiv gewesen“, sagt Ortner. Am Montag blickte er wieder optimistis­cher in die Zukunft: Freunde aus Mühlbach am Hochkönig, Sabine Kroissenbr­unner und ihr Mann, waren angereist, um beim Aufräumen anzupacken: „Wenn Freunde Hilfe brauchen, dann kommt man“, sagt Kroissenbr­unner. Ortner betont, dass es ein Wunder sei, dass niemand verletzt worden sei. „Der Schaden lässt sich reparieren.“In seinem Fall werde es aber wohl Monate dauern, bis die Mauern ausgetrock­net, die Elektroins­tallatione­n samt E-Heizung ausgetausc­ht und die Böden erneuert seien, sagt Ortner.

Die Anrainer im am schwersten betroffene­n Teil der Halleiner Altstadt gehen davon aus, dass ein in den Bach gestürztes Auto die Verklausun­g ausgelöst haben dürfte. Stichwort Auto: Gleich fünf davon wurden in der Familie von Jakob Wohlmuther durch die Fluten beschädigt: „Vier davon sind wahrschein­lich ein Totalschad­en“, sagt er. Denn Wohlmuther­s Haus am Unteren Markt hat einen geräumigen Hof: „Da stand das Wasser fast einen Meter hoch.“Noch vor der Katastroph­e hat sich der Inhaber einer Buchbinder­ei selbst ein Bild von der Lage am Kothbach gemacht: „Der Bach war dann innerhalb von zehn Minuten heraußen.“Glück im Unglück sei, dass sein Betrieb fast nicht betroffen sei: „Unsere Werkstatt ist weiter offen.“

Vorübergeh­end schließen hingegen musste Conny Forsthuber vom „Halleiner Kisterl“am Bayrhamerp­latz: „Hinten ist das Wasser über den Notausgang hereingeko­mmen – da hatten wir 30 Zentimeter hoch Dreck und Schlamm.“Da auch Ware beschädigt worden sei, habe sie am Ende elf Autoanhäng­er voll Unrat entsorgen müssen. Aufsperren werde sie ihr Geschäft wohl erst ab Mittwoch oder Donnerstag, sagt sie. Ähnlich erwischt hat es das Esprit-Geschäft von Andrea Neuwirth: „Wir hatten überall Schlamm drin. Aber die Ware hing hoch, darum konnten wir sie retten.“Das Mobiliar hat sie aber entsorgt. „Wann wir aufsperren können, wissen wir noch nicht.“

Glück hatte Annette Schindlmei­er mit ihrer Pizzeria „Cleitzlers“: „Wir haben die Lokaltür mit Sandsäcken dicht gemacht und blieben verschont.“Als Dank dafür hat die Gastronomi­n am Montag die Helfer mit Dutzenden Pizzen versorgt.

Bgm. Alexander Stangassin­ger (SPÖ) zeigte sich am Montagnach­mittag einigermaß­en optimistis­ch: „Bis zum Ende der Woche werden große Teile der Stadt wieder so aussehen wie vorher.“Die Stadt Hallein hat eine Spendenakt­ion gestartet. Auch der durch Einsprüche verzögerte Hochwasser­schutz sei bereits teils in Bau, sagt Stangassin­ger. Wann ist er fertig? „Ende 2024 wird Hallein bestmöglic­h geschützt sein.“

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HALLEIN.
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BILDER: SN/ROBERT RATZER Die Halleiner Feuerwehre­n arbeiteten seit Samstagabe­nd praktisch durch. Salih und Ayse Karaaslan, Alexander Eisenmann (2. v. l.) und der türkische Generalkon­sul Berkan Pazarci. Auch die dm-Filiale am Beginn der Altstadt wurde von den Fluten schwer in Mitleidens­chaft gezogen.
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Alexander Stangassin­ger, Bgm.

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