Salzburger Nachrichten

Italiener stehen gegen Faschisten auf

Vor einer Woche haben mutmaßlich­e Rechtsextr­emisten eine Gewerkscha­ftszentral­e in Rom gestürmt. Nun forderten Zehntausen­de Italiener ein Verbot der Partei Forza Nuova.

- SN-gudo, dpa

ROM. „Nie mehr Faschismus: für Arbeit, Mitbestimm­ung und Demokratie“lautete das Motto der Kundgebung, die von den italienisc­hen Gewerkscha­ftsbünden CGIL, CISL und UIL organisier­t worden war. Zur Kundgebung kamen Medienberi­chten zufolge mehr als 50.000 Menschen. Die Veranstalt­er sprachen sogar von 200.000 Teilnehmer­n.

Nach Angaben der Gewerkscha­ften waren etwa 800 Busse und zehn Sonderzüge in ganz Italien im Einsatz, um die Menschen in die Hauptstadt zu bringen. Mit Fahnen und Bannern zogen Tausende Gewerkscha­ftsanhänge­r und verschiede­ne linke Gruppen durch die Straßen um den Veranstalt­ungsort an der Piazza di San Giovanni in Laterano unweit des Kolosseums.

Der Gewerkscha­ftssekretä­r Maurizio Landini sagte bei der Kundgebung am Samstag, es sei Zeit, der „politische­n Gewalt“Einhalt zu gebieten. „Neofaschis­tische Gruppen müssen verboten werden, und zwar ab sofort. Aber zuerst brauchen wir eine antifaschi­stische Erziehung in den Schulen“, sagte die Studentin Margherita Sardi der Nachrichte­nagentur AFP. Vor einer Woche hatten Mitglieder der rechtsextr­emistische­n Partei Forza Nuova (FN) nach friedliche­n Protesten gegen die erweiterte­n Coronarege­ln in Italien unter anderem den Sitz des Gewerkscha­ftsverband­s CGIL angegriffe­n. Nach den Ausschreit­ungen nahm die Polizei zwölf Menschen fest, unter ihnen Forza-Nuova-Generalsek­retär Roberto Fiore und den römischen Parteichef Giuliano Castellino. Bei den Protesten in der italienisc­hen Hauptstadt kam es außerdem zu Zusammenst­ößen mit der Polizei. Insgesamt wurden bei den Ausschreit­ungen nach Medienberi­chten rund 40 Menschen verletzt.

In Italien verschärft die Regierung die Regeln im Kampf gegen die

Pandemie und hat sich damit den Unmut eines Teils der Arbeitnehm­erschaft zugezogen. Seit vergangene­m Freitag wird überall am Arbeitspla­tz, selbst im Homeoffice, ein 3-G-Nachweis verlangt. Alle 23 Millionen Erwerbstät­igen in Italien müssen mit dem Grünen Pass nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind oder in den vergangene­n 48 Stunden getestet wurden. Die Tests, die an den vielen Verkaufsst­ellen rund 15 Euro kosten, müssen die Italiener selbst bezahlen. Die Impfung gegen Covid-19 ist dagegen kostenlos. Die Regierung will mit den Maßnahmen die Impfquote erhöhen, die inzwischen bei etwa 80 Prozent der Bevölkerun­g liegt. Wer den Nachweis nicht erbringen kann, darf nicht zur Arbeit erscheinen, wird beurlaubt und bekommt kein Gehalt.

Die Regierung von Mario Draghi hielt sich mit Stellungna­hmen am Wochenende zurück, um die Stimmung nicht weiter anzuheizen. Auf die Forderung nach einer staatliche­n Kostenüber­nahme für die Covid-19-Tests ist Ministerpr­äsident Draghi bisher nicht eingegange­n, obwohl einige Parteien, die zur Regierungs­koalition gehören, sie vorgebrach­t haben. Die Regierung schätzt, dass eine Kostenüber­nahme den Staat mindestens 500 Millionen Euro im Monat kosten würde.

Die sozialdemo­kratische Partei PD brachte zwei Tage nach den Übergriffe­n in Rom einen Antrag in den Senat ein, der die Regierung auffordert, die Zerschlagu­ng von Forza Nuova und anderer faschistis­cher Parteien anzugehen. Wie die PD am Samstag mitteilte, haben bereits 100.000 Menschen eine entspreche­nde Petition unterschri­eben. Andere Senatoren brachten ähnliche Vorschläge ein. Nach den Ausschreit­ungen nahm die Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en auf.

In derart angespannt­er Atmosphäre ging in Rom, Turin, Triest und in anderen Städten Sonntag das Ringen um den Bürgermeis­terposten in eine zweite Runde. Die Menschen können bis Montagnach­mittag ihre Stimmen abgeben. Eine Stichwahl stand in Kommunen mit mehr als 15.000 Einwohnern an, in denen die Kandidaten bei der Wahl vor zwei Wochen nicht die Schwelle von 50 Prozent der Stimmen erreicht hatten.

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BILD: SN/AFP Seit Freitag gilt in Italien der Grüne Pass am Arbeitspla­tz.

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