Zulassung für Totimpfstoff in der EU Anfang 2022 möglich
Positive Phase-III-Zahlen: Valneva reicht Vakzin in Großbritannien zur Zulassung ein. Wiener Experte relativiert die Ergebnisse.
Der österreichischfranzösische Impfstoffhersteller Valneva gab am Montag ermutigende Ergebnisse seiner in Großbritannien durchgeführten Phase-III-Studie des Covid-Vakzins VLA2001 bekannt. Der Impfstoff habe im Schnitt zur Bildung von mehr Antikörpern gegen SARS-CoV-2 geführt, als das beim Vakzin von AstraZeneca der Fall gewesen sei. VLA2001 habe sich zudem „im Allgemeinen gut verträglich“gezeigt, heißt es in einer Aussendung.
Valneva verfolgt mit seinem Covid-19-Vakzin den Totimpfstoffansatz, der seit Jahrzehnten erprobt ist: Dabei wird dem Körper das gesamte abgetötete Virus präsentiert. Somit muss sich das Immunsystem mit allen Erregerteilen auseinandersetzen. Es handelt sich laut Valneva um den einzigen derartigen Impfstoffkandidaten in Europa.
An der Phase-III-Studie nahmen 4012 Erwachsene und 660 Jugendliche teil. Verabreicht wurde das Vakzin in zwei Dosen im Abstand von vier Wochen. Bei Erwachsenen über 30 Jahre wurde ein Vergleich mit dem AstraZeneca-Präparat (AZD1222) durchgeführt. Der Titer der neutralisierenden Antikörper lag so im Schnitt über jenem der Teilnehmer, die AZD1222 erhielten. Die Antworten von Immunzellen (T-Zellen) richteten sich gegen verschiedene Teile des Virus. Am stärksten fiel die Reaktion auf das Spikeprotein des Erregers aus.
Im Zuge der Studie meldeten weniger als ein Prozent der Teilnehmer
„ein unerwünschtes Ereignis von besonderem Interesse“, beschrieb das Unternehmen. Es stellte sich kein schwerer Fall einer Covid19-Erkrankung ein, egal welchen Impfstoff die Studienteilnehmer erhielten. Das deute darauf hin, dass beide Vakzine schwere Erkrankungen – auch an der Delta-Variante – verhinderten, betont der Hersteller.
Allerdings: Markus Zeitlinger, Vorstand der Uniklinik für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien, relativiert: „Diese Studie hat man so aufgebaut, dass die Zahl der gebildeten Antikörper nicht schlechter sein darf als bei AstraZeneca. Das wurde erreicht. Dieser Impfstoff hat aber noch nicht gezeigt, dass er klinisch wirkt und dadurch Covid-Infektionen verringert werden.“Hintergrund sei, dass es keine 50.000 Ungeimpften mehr gebe, die bereit seien, bei einer Studie mitzumachen, sagt Zeitlinger. Daher sei der Zulassungsweg sinnvoll, meint er. „Die Wirkung dieses Vakzins werden wir erst kennen, wenn es millionenfach angewandt wurde.“Die vom Hersteller behaupteten geringen Nebenwirkungen seien „positiv – aber einen wissenschaftlichen Nachweis gibt es dafür bisher nicht“, sagt Zeitlinger. Der Pharmakologe rechnet ebenso wie Valneva auf SN-Anfrage mit einer Zulassung des Impfstoffs in Großbritannien bis Jahresende: „Für die EU könnte ich mir eine Zulassung Anfang 2022 vorstellen.“Er prognostiziert jedoch, dass mit dem Totimpfstoff nur „ein geringer Teil der Impfskeptiker erreicht werden wird – aber keine 20 Prozent der Bevölkerung“. Denn Personen, die sich bis jetzt nicht hätten impfen lassen, würden „auch dann einen Grund finden, sich nicht impfen zu lassen“, meint er.
Als Reaktion auf die Meldung ist am Montag in Paris der Kurs der Valneva-Aktie um 40 Prozent gestiegen. Das ist der größte Kurssprung in der Firmengeschichte.
„Wirkung sieht man erst durch Anwendung.“
Markus Zeitlinger, Pharmakologe, MedUni