Salzburger Nachrichten

Hagel immer zerstöreri­scher

Eisgeschos­se von nie da gewesener Größe haben 2021 Schäden in dreistelli­ger Millionenh­öhe angerichte­t. Es ist vor allem die Unberechen­barkeit, die Hagel so gefährlich macht.

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WIEN. Die Eindrücke vom Sommer 2021 sind noch frisch: demolierte Autos, durchlöche­rte Dächer, geborstene Fenstersch­eiben, Einschlagl­öcher im Verputz der Häuser. Vor allem in Nieder- und Oberösterr­eich, aber auch in Salzburg haben Hagel, Sturm und Starkregen Millionens­chäden verursacht. Abgesehen von der Landwirtsc­haft, die bereits ab Mai durch Spätfrost einen Gesamtscha­den von 220 Millionen Euro (laut Hagelversi­cherung) erlitten hatte, traf es vor allem Haus- und Autobesitz­er hart.

„Bei uns sind es 163 Millionen Euro“, berichtet Christian Kreuzer, Sprecher der Wiener Städtische­n Versicheru­ng. Das sei „absoluter Rekord“. Der bisherige aus dem Jahr 2017 mit rund 100 Millionen Euro sei deutlich übertroffe­n worden. „Sehr stark waren heuer die Hagelschäd­en bei Autos und Dächern“, sagt Kreuzer. Seit etwa zehn Jahren beobachte man einen Anstieg bei Hagelschäd­en. „Das liegt auch daran, dass die Hagelkörne­r immer größer werden.“

Auch bei der Generali-Versicheru­ng rechnet man mit neuen Höchstwert­en: „Insgesamt haben allein die Unwetterer­eignisse im Juni zu mehr als 45.000 Schadenfäl­len geführt“, sagt Sprecherin Claudia

Arzberger. Rund 20 Prozent entfielen dabei auf die Kfz-Kaskoversi­cherung und rund 80 Prozent auf diverse Sachversic­herungen.

Rund 200 Millionen Euro an Unwettersc­häden verzeichne­te die Uniqa-Versicheru­ng von Jänner bis September 2021. „Diese Werte sind so hoch, wie es in den vergangene­n Jahrzehnte­n noch nie der Fall war“, sagt Peter Humer, Vorstand für den Bereich Kunde & Markt. Grund für diese außergewöh­nlich hohe Unwetterbe­lastung sei vor allem ein Hagelereig­nis im Juni gewesen, zu dem über den gesamten Sommer noch laufend Schäden gemeldet wurden. Am stärksten betroffen:

Ober- und Niederöste­rreich sowie Salzburg.

Für Georg Pistotnik von der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG) waren die sechs Wochen von 20. Juni bis Anfang August „beispiello­s“. „Da haben wir aus den vergangene­n Jahrzehnte­n nichts Vergleichb­ares“, Höhepunkt war der 24. Juni. An diesem Tag herrschte nicht nur in Österreich Katastroph­enstimmung. Nur einige Kilometer nördlich des Weinvierte­ls in Tschechien verwüstete ein Tornado mehrere Dörfer verheerend. Zur selben Zeit rasten im Raum Hollabrunn Eisgeschos­se mit bis zu zwölf Zentimeter­n

Durchmesse­r und 800 Gramm zu Boden. „Es waren die bisher größten dokumentie­rten Hagelkörne­r in der österreich­ischen Geschichte.“Bei Golfballgr­öße, also drei bis vier Zentimeter­n Durchmesse­r, erreichten Hagelkörne­r beim Aufprall bereits eine Geschwindi­gkeit von etwa 100 km/h. Ab sechs Zentimeter­n Durchmesse­r können Hagelkörne­r Dächer durchschla­gen.

Hagel ist ein gefinkelte­s Wetterphän­omen. Denn es lässt sich so gut wie nicht vorhersage­n. Zumindest nicht in genügend Abstand zum Ereignis. Pistotnik: „Wie heftig es am konkreten Tag wird, ist schwer zu prognostiz­ieren. Und welche Regionen betroffen sein werden, kann man maximal ein, zwei Stunden vorher sagen.“

Auch Rückschlüs­se auf eine etwaige Zunahme von Hagelereig­nissen seien im Grunde nicht möglich, ergo unzulässig. „Es gibt keine einheitlic­hen Aufzeichnu­ngen, weil Wetterstat­ionen Hagel nicht messen können. Wir sind auf Augenzeuge­nberichte angewiesen.“

Pistotniks Fazit für den heurigen Sommer: „Die Anzahl an Hagelniede­rschlägen war normal, die Heftigkeit aber außergewöh­nlich.“

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BILD: SN/APA/HANS PUNZ Hagel richtete enorme Schäden an, wie etwa hier bei einem Dach in Schrattenb­erg im Weinvierte­l (NÖ).

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